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Operetten-Premiere in Magdeburg Die "Fledermaus" gehört zu den aussterbenden Arten

21.02.2011, 04:33

Johann Strauß’ "Fledermaus" ist unbestritten der Gipfelpunkt der goldenen Operette. 1874 im Theater an der Wien uraufgeführt, eroberte sie bald die Bühnen der Welt. Das Theater Magdeburg hat Regisseur Aron Stiehl und dessen Bühnenbildner Jürgen Kirner für seine Neuinszenierung verpflichtet. Johannes Stert hatte die musikalische Leitung. Am Sonnabend war Premiere im Opernhaus Magdeburg.

Von Liane Bornholdt

Magdeburg. Es ist eine perfekte Theatergeschichte. Ein untreues Ehepaar, Rosalinde und Gabriel Eisenstein erwischen und überführen sich gegenseitig auf ihren jeweiligen Abwegen, und arrangiert wird das Mehrfachspiel als subtile Rache der "Fledermaus" Dr. Falke, welcher einst Opfer eines derben Scherzes Eisensteins war. Mit im Spiel eine Reihe wunderbarer, lebensvoller Charaktere, die vor allem auch durch die von Strauß kongenial erfundene Musik unsterblich sind.

Dem allerdings kann man sich vielleicht doch nicht mehr ganz sicher sein. Bereits zur Ouvertüre hebt sich in Magdeburg der Vorhang, aber nur einen Spalt breit. Während Strauß’ Musik bereits alles Kommende anspielt, werden die Zuschauer weit von der Musik fortgeführt in eine Show-Welt, von der man noch nicht ahnt, wie sehr diese die ganze Aufführung dominieren wird. Nach einigen hier noch munteren Flattertieren und einem Spielzeugkatzenwagen sieht man die Beine von Balletteusen unterm Tutu, gefolgt von Tänzerbeinen, die zwar auch zum berühmtem Fledermauswalzer tanzen, sich schließlich in eindeutiger Pose paaren, sie mit ihm und er mit ihm – ach wie verrucht! Und hier bereits beginnt, was sich den langen Abend über – die ganze an sich 1 ¾ Stunden flotte Operette ausgedehnt auf gute drei Stunden – nicht ändern wird. Die Musik gerät zur bloßen Untermalung, richtet sich in der Wahl der Tempi und im Ausdruck nach den Bildern und szenischen Erfindungen, den Gags und Späßchen, mit welchen das Regieteam glaubt, der alten Operette aufhelfen zu müssen. Der Ouvertüre nahm bereits hier überladenen Bebilderung erst einmal den Schwung.

Das Haus Eisensteins ist ein modernes Heim, sehr schön in den Trash-Farben Grün und vor allem Pink, in dem auch die Damen kostümiert sind, anders als das Beige-Orange, in dem die Männer erscheinen. Männer und Frauen passen eben nicht zusammen.

Rosalinde ist Noa Danon, und sie erscheint missgelaunt, da ja Ehemann Gabriel (Markus Liske) die kommenden Nächte im Gefängnis abzusitzen hat. Adele (sehr schön munter Ute Bachmaier) möchte ausgehen, wird aber abgewiesen. Der Auftritt Alfreds als Fallschirmspringer aus einem abstürzenden Jumbo-Jet ist eine erste Episode, deren Sinn bis zum Ende im Dunkel bleibt, aber nun ja… Manfred Wulfert singt tapfer gegen die gehabte Katastrophe an, und dass er sich vor dem Hausherrn (Markus Liske) im Kühlschrank verstecken muss, gehört noch zu den wirklich witzigen der zahllosen Regieeinfälle. Immerhin hat er Gelegenheit, gut und mitreißend zu singen, etwa im dritten Akt, wenn er den trinkseligen Frosch (angemessen lustig Andreas Guglielmetti) mit seinen Tenorkünsten nervt. Der komponierte Witz allerdings bleibt wie alles Komponierte Randepisode.

Markus Liske hat nicht so viel Glück. Das Musikalische seiner Auftritte bleibt stets im Schatten, und so auch sein Gesang. Es dominieren Anspielungen und Parodien auf alles. Dies vor allem bei Orlowskis Ball. Den Gastgeber selbst sang zur Premiere der Altist Denis Lakley, dem Aron Stiehl nun alles Mögliche aufhalst. Er erscheint in einem Trabi und aus dem Graben muss die russische Hymne erklingen. Gekleidet als Lagerfeld-Parodie stolziert er auf hohen Pumps, eben mal drückt er seine Zigarette in die Hand des Dieners aus, und sein ganzes Fest scheint ihn zu langweilen. So singt er auch, unfroh und bemüht. Dass die Festgäste nicht fröhlich, sondern hysterisch albern sind, passt ins Bild. Statt zu tanzen, sieht man sie kopulieren, und der Radetzkymarsch wird eingefügt, damit das Publikum auch mal mitklatschen kann. In der Gefängnisszene wird der Alkoholdunst durch schiefe Wände und schmerzende Geräusche aus dem Lautsprecher gezeigt. Auch ein wenig Vampir-Mode geistert durch die Räusche.

Ach ja, nebenbei singt Noa Danon einen feinen Csardas, Ute Bachmeier eine gelungene Theaterprobe und Martin-Jan Nijhof kann doch überzeugen als Gefängnisdirektor. Schließlich bleibt noch Roland Fenes als Dr. Falke. Ihn hat die Regie stiefmütterlich behandelt, gibt er doch hier nur den Spielverderber. Aber er singt gut, und zwar in jeder Situation, auch wenn das "Brüderlein und Schwesterlein" aus irgendeinem Grund zum Choral wird. Da ist die Fledermaus längst verendet, auf der Bühne wie im Graben. Es klappert und man singt folglich unsauber.

Orlowskys Ball ist ein Schwarz-Weiß-Fest, und dieser Kontrast scheint die ganze Inszenierung umzutreiben. Will man Operettenplüsch vermeiden, so bleibt scheinbar nur noch Trash-Show, aber die hat auch ihre Anhänger.