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Carl Maria von Webers "Freischütz" am Theater Magdeburg Eine Wolfsschlucht, dunkle Mächte und kein Happy End

16.05.2011, 04:37

Ein unnatürlich schriller Schrei. Max hält seine blutüberströmte geliebte Agathe im Arm. Mit lautem höhnischen Lachen bejubelt der scheinbar tote Kaspar, mit dem Bösen im Bunde, den Tod der Braut von Max. Vorhang. Am Sonnabend hatte die romantische Oper "Der Freischütz" von Carl Maria von Weber im Opernhaus Magdeburg eine mit viel Beifall aufgenommene Premiere.

Von Helmut Rohm

Magdeburg. Dabei sieht es doch bis kurz vor Schluss gut aus. Der Eremit (Paul Sketris) überzeugt den Fürsten Ottokar (Roland Fenes), den jungen, bisher unbescholtenen Max nicht zu verbannen, sondern ihm nach einem Probejahr Agathe zur Frau zu geben und ihn Erbförster werden zu lassen. Ihm wurde vorgeworfen, mit einer Freikugel den für die Ehe und den Beruf unbedingt zu treffenden Probeschuss abgegeben zu haben.

Die Regisseurin Aniara Amos, auch gleichzeitig ihre eigene Bühnenbildnerin (Kostüme von Maria-Elena Amos), hat in ihrer ersten Arbeit in Magdeburg dieser romantischen Oper ein Stück der ihr hin und wieder anhaftenden rührseligen Ausstrahlung genommen. Keine urwaldähnliche Wolfsschlucht, weniger naturalistisch gestaltete Handlungsorte, viel mehr Symbolik – auch augenzwinkernde Ironie. Der Saal der Waldschenke ist nur mit Trophäen bestückt. Die mit Geweihen versehenen Sparren wirken mehr wie ein drohender Dornenkranz. Schnell gedrehte Wandelemente schließen sich zu einem angedeuteten Wald, werden zu Öffnungen für Auf- und Abgänge.

Die Trinkorgie der Dorfgesellschaft, präsentiert vom zahlenmäßig stets gesangsmächtigen und im wahrsten Sinne des Wortes auftrittsstarken Chor (Einstudierung Martin Wagner), zu Beginn erinnert ein wenig an eine Likörwerbung.

Die Musik, ungemein reich an Klangfarben, hat die Magdeburgische Philharmonie unter GMD Kimbo Ishii-Eto mit bestem Gespür für Romantik und dramatische Wirkung begeisternd präsentiert.

Die Handlung wird von Aniara Amos textgetreu erzählt. Übertitel helfen beim Textverständnis. Die Regisseurin lässt den Zuschauer sehr intensiv an den inneren Befindlichkeiten der handelnden Personen teilhaben.

Der junge Jäger Max (Manfred Wulfert) liebt Agathe (Noa Danon), die Tochter des Erbförsters Kuno (Mario Solimene). Der ominöse Probeschuss macht Max zunehmend Probleme. In Manfred Wulferts und Martin-Jan Nijhofs (Kaspar, später als Publikumsliebling gefeiert) Spiel und gesanglicher Interpretation stehen sich zwei Protagonisten ungemein antagonistisch gegenüber. Versagensangst vor sich selbst, vor Agathe und der ganzen Gesellschaft, die sich Max als bedrohliche dunkle Masse zeigt, trifft auf Neid und Rache. So in die Enge getrieben, lässt sich Max schließlich mit Kaspar ein, der mit dunklen Mächten im Bunde ist.

In einer ergreifenden Szene ersticht Max einen unschuldigen kleinen Jungen. Sie symbolisiert die Opferung seiner Seele.

Die Zuschauer erleben eine schaurig-packende, mit Licht- und Toneffekten effektvoll ausgestattete Wolfsschluchtszene um Mitternacht.

Währenddessen plagen Agathe nach einem Zusammentreffen mit einem Eremiten Ängste und böse Albträume, die von Noa Danon mit klangreicher Stimme und trefflichem Spiel lebendig nachvollziehbar gestaltet werden. Der aufgeweckten lebensnahen Freundin Ännchen (Julie Martin du Theil) gelingt es nur schwer, Agathe aufzuheitern. Als statt des Jungfernkranzes ein Totenkranz erscheint, ist Böses er-ahnbar. Werden die Rosen des Eremiten helfen?

Am nächsten Tag auf dem Waldplatz spitzt sich das Ereignis zu. Große Massenszene. Eine weiße Taube soll Max mit der siebten Freikugel schießen, doch Agathe sinkt zu Boden. Die vom Eremiten umgelenkte Kugel trifft Kaspar.

Ende gut, alles gut? In Magdeburg nicht: Letztendlich behalten in dieser Inszenierung die bösen Mächte die Oberhand.

Die nächste Aufführung gibt es am 20. Mai um 19.30 Uhr.