1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Klischees aneinandergereiht und langweilige Ossi-Wessi-Dispute

EIL

Uraufführung von " Das Ende der Welt " am Magdeburger Schauspielhaus Klischees aneinandergereiht und langweilige Ossi-Wessi-Dispute

Von Rolf-Dietmar Schmidt 19.04.2010, 07:26

Auftakt für das dreitägige Spektakel " OstOstOst – 20 Jahre Westen " im Magdeburger Schauspielhaus war am Freitagabend die Uraufführung von " Das Ende der Welt ". Doch dieser Einstieg in das ambitionierte Theaterprojekt war eine Enttäuschung.

Magdeburg. Eigens für das " OstOstOst " -Projekt wurde das Stück von der polnischen Autorin Malgorzata Sikorska-Miszczuk geschrieben. Es gehörte zu einem länderübergreifenden Ringprojekt von drei ostdeutschen Theatern. Neben Magdeburg gab es zeitgleich Uraufführungen von " Heimsuchung " in Gera / Altenburg und " Was vom Westen übrig blieb " in Chemnitz. Jedes der Stücke wurde am zurückliegenden Wochenende von Freitag bis Sonntag an jedem dieser Theater aufgeführt.

Es hätte ein großer Wurf werden können, denn das Thema der polnischen Gegenwartsautorin und Journalistin Malgorzata Sikorska-Miszczuk birgt ungeheure Brisanz. Es ist die Sichtweise auf die gesellschaftliche Wende in Europa, die vor 20 Jahren im Taumel der deutschen Einheitseuphorie alles ausblendete, was dafür in Europa ursächlich war. Schließlich waren es die Polen, die mit der Gewerkschaftsbewegung Solidarnoscz den Stein ins Rollen brachten, der später in einer Kettenreaktion das gesamte überlebte kommunistische System niederwalzte.

Genau diesen Ansatz, diese Außensicht, reklamiert die Autorin für sich in dem komödiantisch angelegten Theaterstück, das mit einem Augenzwinkern schon wieder aufkeimende deutsche Selbstüberschätzung auf den Boden der Tatsachen zurückholen will.

Durchschnittsfamilie

in der TV-Show

Soviel zum inhaltlichen Anspruch, der sich in einer einfachen Geschichte widerspiegelt. Die Polen sind es leid, dass die Deutschen das Einreißen des Eisernen Vorhangs bei jeder Gelegenheit für sich beanspruchen. Deshalb beauftragt ein polnischer Geheimagent eine Fernsehproduzentin, in einer Show mit einer von ihm ausgewählten polnischen Durchschnittsfamilie die Sache richtigzustellen. Diese Familie besteht aus einem Geschwisterpaar, von dem die Schwester noch einen Sohn hat, der bezeichnenderweise Fünfjahreweis heißt.

Alle diese Akteure führen dann jedoch mit ihren Ansichten, Meinungen und Äußerungen das Ansinnen der TVShow ad absurdum, sich als eigentliche Keimzelle für die friedliche Einigung Europas darzustellen. Der Bruder hasst die Chinesen, weil sie ihm als Schuhproduzenten mit Billigware keine Chance auf Qualitätsarbeit lassen, die Schwester sieht hinter jedem Deutschen zwei SS-Männer.

Völlig aus dem Ruder läuft das Geschehen wie auch das Stück selbst, als das deutsche Fernsehen sich an der Show beteiligt. Nun wird aus der polnischen eine deutsche Familie. Doch es bleibt alles wie immer. Vorurteile, Unzufriedenheit, Pessimismus, Ossi-Wessi-Dispute und ein leider realistischer Hang, Vergangenes zu beschönigen. Also alles umsonst ?

Mit dieser Frage lässt Malgorzata Sikorska-Miszczuk ihre Zuschauer allein. Das Stück weist unmotivierte Längen auf, erscheint dramaturgisch unfertig. Von der Ursprungsidee, die so viel Spannung verspricht, bleibt leider nichts. Stattdessen reiht sich ein Klischee an das andere, alles ist schon tausende Male gesagt. Kurzum : " Das Ende der Welt " ist eine Enttäuschung.

Daran ändert auch das spürbare Bemühen der Regisseurin Nina Gühlstorff nichts, dem Stoff auf die Beine zu helfen. Sie lebte selbst eine Zeit lang in Polen und versuchte mit sehr viel Liebe zum Detail, einen Spannungsboden zu erzeugen. Lobenswert war auch das Bemühen von Christiane-Britta Boehlke, als TV-Produzentin nicht nur gut auszusehen, von Jonas Hien, der als Geheimagent noch am ehesten überzeugte, oder der Schwester Babette Slezak, Bruder Ralph Martin und dem Fünfjahreweis Sebastian Reck, mit schauspielerischen Mitteln bereits verlorenen Boden gutzumachen.

War der " polnische Teil " des Stücks wenigstens streckenweise noch durch Authentizität geprägt, ja manchmal sogar vergnüglich, so geriet die Reflexion im " deutschen Teil " über Ossi-Wessi-Befindlichkeiten zu purer Langeweile.

Die Maske der

Selbstgefälligkeit

Schade, denn gerade der Ansatz der polnischen Sichtweise auf den Beitrag dieser Nation zur europäischen Einigung bietet eine Fülle von Möglichkeiten, dem großen und scheinbar übermächtigen Nachbarn ganz nach dem Beispiel von David und Goliath die Maske der Selbstgefälligkeit zu entwinden. Das hätte dem polnischen Selbstbewusstsein gut getan und 20 Jahre nach der Wiedervereinigung von Bundesrepublik Deutschland und DDR vielleicht doch den einen oder anderen zum Nachdenken über die eigene Stellung im europäischen Gefüge veranlasst. Diese Chance wurde leider vertan.