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" Pizza in Auschwitz " erzählt auf Arte die Geschichte eines Holocaust-Überlebenden Eine bewegende Reise mitten hinein ins Leid des Vaters

Von Tamara Bartlitz 24.03.2010, 04:52

Straßburg ( ddp ). Danny Chanoch kann nicht aufhören, über den Holocaust zu reden. Der über 70-Jährige, der von sich sagt, er habe einen " Bachelor of Auschwitz ", hat fünf Konzentrations- und Vernichtungslager überlebt und wünscht sich vor allem eines : Seine beiden erwachsenen Kinder Miri ( 38 ) und Shagi ( 40 ) mögen verstehen, was ihm und Millionen anderen Juden angetan wurde.

Den beiden graut davor, mit dem Vater auf die " vielleicht wichtigste Reise " seines Lebens zu gehen. Es ist eine Fahrt in die von den Nazis zerstörte Kindheit Dannys. Sie führt nach Litauen ins " Schtetl " der Eltern, ins Ghetto und in die Vernichtungslager in Polen, darunter nach Auschwitz-Birkenau. Der israelische Filmemacher Moshe Zimerman hat die Chanochs auf ihrer sechstägigen Reise begleitet. Den Dokumentarfilm " Pizza in Auschwitz " zeigt Arte am Sonntag ( 28. März ) um 23. 30 Uhr.

Zimerman ist mit dem 65-minütigen Film ein unpathetisches Dokument gelungen, das zeigt, was der Holocaust war und wie weit seine Folgen in unsere Tage reichen. Miri macht schon zu Beginn der Fahrt klar, wie wenig sie vom " Holocaust-Reality-TV " des Vaters hält. Die extrovertierte junge Frau trägt den Generationenkonflikt um den Umgang mit der Shoa mit dem Vater weitgehend allein aus. Beide sind Meister des schwarzen Humors. " Mein Privatarzt war Dr. Mengele ", sagt der Vater an einer Stelle, kurz darauf erfindet die Tochter einen Namen für ein Cafe in Israel : " Baghetto ".

Je näher Auschwitz rückt, desto schwärzer wird die Rede. Als eine Kellnerin in einem polnischen Restaurant fragt, ob das Mineralwasser " mit oder ohne Gas " gereicht werden solle, antwortet die Tochter : " Mit. Ich zahle gern für Gas. "

" Wir werden dich nie ganz verstehen

Wie nahe Miri, die selbst Kinder hat, die Reise mitten ins Leid des Vaters tatsächlich geht, wird im polnischen Stutthof deutlich. Dort wurden Dannys Mutter und seine Schwester aus dem Viehwaggon geholt und ins Lager gebracht. Der Elfjährige hat sich von beiden nicht verabschieden können, er musste weiterfahren im " Transport ". Im Film sitzt Miri bitterlich weinend auf den Gleisen und sagt : " Ich hätte zuerst meine Kinder getötet und dann mich. Das weiß ich jetzt. "

In Auschwitz-Birkenau legt sich Danny mit dem Gedenkstättenpersonal an. Er will nicht einsehen, dass ein Überlebender wie er fragen muss, ob im Lager gefilmt werden darf und ob er in " seiner " Baracke schlafen dürfe. Am Ende setzt er sich durch und verlangt von den Kindern, die Nacht mit ihm dort zu verbringen. Für die Tochter ist das zu viel. " Wir werden dich nie ganz verstehen ", sagt sie dem Vater bei einem Stück Pizza in dem stockdunklen Holzverhau. " Aber dafür musst du dankbar sein. Hätten wir dasselbe erlebt wie du, würden wir dich verstehen. Aber würdest du das wollen ?"

Zimerman ist selbst Sohn von Holocaust-Überlebenden. Auf Kunstvolles hat er beim Drehen komplett verzichtet. Der Film lebt ausschließlich von seinen Protagonisten – und die nehmen den Zuschauer auf schmerzhafte Weise mit in die familiäre Auseinandersetzung um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. " Die Shoa ", sagt Shagi am Ende der Reise mit dem Vater, " ist in unseren Genen, weil er sie überlebt hat. "