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Atelierbesuch bei dem Glaskünstler Günter Grohs in Wernigerode Immerwährende Suche durch Sehen

27.02.2010, 05:16

Aus hunderten von Einzelscheiben, deren reliefartige Strukturen bei 820 Grad gebrannt werden, entstehen neue Kunstwerke für zumeist sakrale Bauten. Jede einzelne der Scheiben wird von Günter Grohs geformt, ehe sie sich zum Ganzen fügen und als Kunstwerk erstrahlen. Die Volksstimme besuchte den Künstler in Wernigerode und an einem seiner Arbeitsplätze in den Glaswerkstätten Frank Schneemelcher in Quedlinburg.

Von Jörg-Heiko Bruns

Wernigerode. Mehr als 150 Kirchen, Privathäuser und öffentliche Gebäude hat der Wernigeröder Künstler Günter Grohs im Laufe der Jahre mit seiner gläsernen Kunst ausgestattet.

Im stilvoll ausgestatteten Wohnraum des Hauses Unterm Ratskopf in Wernigerode erinnert wenig an den Beruf des Hausherren. Ein paar Bücher, Publikationen und Faltblätter über seine Arbeit lassen Farblichter aufblitzen. Günter Grohs brennt für seine Arbeit und so sind seine Erzählungen und Erläuterungen immer spannend und einleuchtend.

Schon in seiner Studienzeit an der Hochschule für Kunst und Design Halle Burg Giebichenstein erprobte er als damals völlig neue Methode der Glasbearbeitung die Senkverformung. In den Glaswerkstätten Frank Schneemelcher in Quedlinburg führt er vor, wie er in eine Schicht aus Schlämmkreide und Trennmitteln seine Zeichnungen und Strukturen einbringt. Anschließend wird das Glas aufgelegt und bei 820 Grad im Brennofen verformt. Das schmelzende, zähfließende Glas nimmt nun die gezeichneten Strukturen des Grundes an und erreicht nach der Abkühlung früher nie denkbar gewesene Vielschichtigkeit und Plastizität.

"Der Verzicht auf vordergründige Lesbarkeit"

Günter Grohs hat mit dieser Methode, aber nicht nur damit, viele wunderschöne Kunstwerke geschaffen. Gegenwärtig arbeitet er an einem 80 Quadratmeter großen Südquerhausfenster für den Halberstädter Dom zum Thema "Offenbarung und Neuschöpfung". Hier geht es natürlich nicht um die bildhafte Übersetzung theologischer Begriffe. "Eine spannungsvolle Harmonie der Flächen sowie der Verzicht auf vordergründige Lesbarkeit und die immerwährende Suche durch Sehen sind mir wichtig", bemerkt der Künstler dazu. Auch wenn seine Arbeiten wie Malerei wirken, er muss noch anderen Gesetzen und Gegebenheiten als der Maler an der Staffelei folgen. Er hat die architektonischen und denkmalpflegerischen Ausgangspunkte ebenso zu beachten wie sein künstlerisches Ziel.

Die Fenster des Malerstars Gerhard Richter für den Kölner Dom oder Neo Rauchs kleine Gestaltungen für eine Nebenkapelle des Naumburger Doms sprechen eine Sprache, die Grohs fremd ist. "Glasgestaltung verstehe ich als Raumgestaltung. Sie hat in einem sakralen Gebäude eine der Liturgie dienende Aufgabe, ist gewissermaßen eine Fortsetzung der Architektur mit anderen Mitteln, ohne diese nachträglich verzieren zu wollen", notiert er im Buch über sein Werk, das Jüttners Buchhandlung in Wernigerode 1998 verlegte.

"Das kontrollierte Spielen mit den Parametern der Glasmalerei bedeutet bei Grohs ein sensibles Sich-Einfinden in Raum und Zeit. Das flüchtige Material Licht wird durch seine Fenstergestaltung zu einer Ahnung des Zeitübersteigenden", schreibt der katholische Liturgiewissenschaftler Dietmar Thönnes über Grohs‘ Kunst. Grohs‘ Tun ist immer von Gesprächen und Diskussionen mit den Auftraggebern und deren Gemeinden begleitet, um seine Gedanken, Ideen und Visionen den Betrachtern nahe zu bringen und sie vor allem zu eigenen Sichtweisen und Interpretationen zu ermutigen.

Es sind aber nicht nur die in der Senkverformung entstandenen Werke, die Grohs‘ Kunst zu etwas Besonderem machen, es gibt auch großflächige, geometrisch-konstruktive Arbeiten, die in ihrer Klarheit an die Konkrete Kunst erinnern. Hier arbeitet er mit Echt-Antikglas, das transparent ist und in über 5000 Farbtönen zur Verfügung steht. Diese Gläser mischt er auch mit Opakglas (doppelschichtig, durchscheinend) und Opalglas (nur halbtransparent) und verwendet überdies die Möglichkeiten der Ätzung und Sandstrahlung und der Glasmalerei.

"Kontakte knüpfen und auf die Leute zugehen"

Ein weites Feld gestalterischer Möglichkeiten, das Günter Grohs meisterhaft nutzt und nicht nur in seiner engeren Umgebung wie für die St.-Wiperti-Kirche in Quedlinburg, den Halberstädter Dom, die Trauerhalle in Drübeck, den Dom in Nordhausen, das Diakonissen-Mutterhaus in Elbingerode zum Einsatz bringt, sondern auch quer durch ganz Deutschland in Karlsruhe, Limbach-Oberfrohna, Trier, Hannover, Wuppertal, Hamburg-Altona und Heiligenstadt.

Kein Wunder, dass er pro Jahr schnell mal 50000 km mit dem Auto zurücklegt für Gespräche, Vorträge und für die Betreuung der Ausführung oder um selbst an seinen Werken zu arbeiten. "Man muss Kontakte knüpfen und auf die Leute zugehen und sie überzeugen", sagt er. "Und vor Ort fallen mir Sachen ein, die zu Hause so gar nicht machbar wären. Dieser kreative Prozess macht mir zunehmend mehr Spaß."

Günter Grohs gehört nach vielen gewonnenen Wettbewerben zu einer kleinen Gruppe führender Glasgestalter in Deutschland, die es verstehen, der altehrwürdigen Kunst mit Glas und Licht, neue Akzente hinzuzufügen und so die Kunst im 21. Jahrhundert wesentlich zu bereichern. Dafür hat ihn die Stadt Wernigerode auch mit ihrem Kunstpreis geehrt

Mögen Grohs‘ Arbeiten auch weiterhin, wie es Frank Schneemelcher schreibt, Leichtigkeit ausstrahlen und Licht in harmonischer Weise in die Räume einfließen lassen. Das tut der Seele gut und erfasst alle Sinne.