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Kurt Weill Fest Kaufmann: "Das ist für mich aufrechter Gang"

Das Kurt Weill Fest, das am 26. Februar beginnt, bedient Krenek, Weill und die Moderne. Ein Gespräch mit Intendant Michael Kaufmann.

Von Grit Warnat 03.02.2016, 00:01

Herr Professor Kaufmann, Sie haben eine Entdeckungsreise für das Publikum angekündigt. Was kann das Publikum entdecken?

Michael Kaufmann: Die Begegnung mit Weill und Krenek als zwei eigenständigen Künstlerpersönlichkeiten wird sehr spannend. Über die Beschäftigung mit Krenek haben wir herausgefunden, dass sich beide in New York mehrmals begegnet sind. Krenek und Weill waren sich familiär nah. Beide waren auf unterschiedlichen Feldern verortet, beide trieb eine große Neugier an. Sonst hätte der eine nicht die „Dreigroschenoper“ und der andere nicht „Jonny spielt auf“ geschrieben.

Wir wollen zur Weimarer Republik das Fenster öffnen und diese unglaubliche Pluralität der Musik und der pulsierenden Zeit nahebringen. Ich denke, jeder kann in dem Programm seine persönliche Entdeckungsreise unternehmen.

Im Eröffnungskonzert sind Weill, Krenek und Mussorgsky zu hören. Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ gibt es in sechs Konzerten. Warum „Bilder einer Ausstellung“?

Wir sitzen hier im Atelier von Herrn Feininger, wenige Schritte weiter arbeitete Kandinsky und hat das Bühnenbild für eine Ballettproduktion am Dessauer herzoglichen Theater geschaffen. Wir feiern in diesem Jahr Kandinskys 150. Geburtstag. Für mich schließt sich damit ein Kreis: Mit dieser Musik kann man die Klassische Moderne aufleben lassen.

Wieso setzen Sie im Programm sehr stark auf den Songkomponisten Weill und weniger auf Weill als Bühnenschreiber?

Das liegt an der speziellen Kombination von Krenek und Weill. Ich finde, Songs sind sehr nahe am Publikum. Außerdem ist das Kurt-Weill-Fest eine freie kleine Kultur-einrichtung. Wenn man Weill mit seinen großen Bühnenwerken vorstellen will, braucht man den Bühnenapparat eines Opernhauses.

Es gibt den Opernabend „Zar und Diktator“, für den Sie zwei Einakter von Krenek und Weill zusammenführen. Ist das einer der Höhepunkte im Programm?

Mit der besonderen Begegnung von Weill und Krenek – ja. „Der Diktator“ von Krenek und „Der Zar lässt sich photographieren“ von Weill sind 1928 uraufgeführt worden und zeigen zum einen die Eigenständigkeit der beiden in ihrem kompositorischen Schaffen, zum anderen sind es die selben Themen, mit denen sie sich auseinandergesetzt haben. Es geht um Gesellschaftsformen, um Obrigkeit, um Willkür eines Herrschers, und die Frage, wo der Mensch in der Gesellschaft steht. Weill schreibt eine Komödie und geht sehr spielerisch damit um, Krenek sieht es seriös und schafft fast eine Vorhersage auf das Hitler-Regime. Beide aber fassen sich kurz. In beiden Kurzopern erzählen sie das, was man in einer Ring-Oper in fünf Stunden erleben kann. Sie haben damals schon unsere schnelllebige Zeit bedient und sind damit sehr aktuell.

Was fasziniert Sie an Weill?

Seine unglaublich aufrechte Persönlichkeit. Außer in Amerika, als die Amerikaner gegen Nazideutschland in den Krieg eintraten, äußert er nie politische oder gesellschaftspolitische Statements. Er macht das immer über die Musik. Das ist für mich aufrechter Gang. Er verkündet eine Botschaft, ohne dass man ständig mit einem Transparent durch die Gegend läuft. Und natürlich ist seine Musik unglaublich eingängig. Er unterläuft jeden Radar.

Was meinen Sie?

Er geht aus dem normalen Opernbetrieb raus und entscheidet sich, sein Publikum woanders zu suchen. Die Leute sollen seine Musik mögen. Seine Songs sind Hits geworden. Vor allem schreibt er nicht Schlager, um berühmt zu werden. Das fasziniert mich an Weill.

Das merkt man. Sie sprechen in der Gegenwartsform. Aber trotz aller Faszination, das Weill-Fest geht in seine 24. Auflage. Wird es nicht immer schwieriger, dem Komponisten neue Facetten abzugewinnen?

Man findet immer wieder spannende Kontexte, um Weill lebendig sein zu lassen. Dafür sind unsere Partnerschaften und Kooperationen wichtig. Je mehr Mitstreiter wir haben, desto besser können wir neue Fragestellungen aufgreifen. In diesem Jahr arbeiten wir mit der Ernst Krenek Institut Privatstiftung in Österreich zusammen. Das ermöglicht, dass das Kurt Weill Fest zum allerersten Mal einen anderen Komponisten mit in den Fokus rückt.

2017 werden wir „Luther, Weill und Mendelssohn“ thematisieren und uns mit Reformation, Aufklärung und Moderne beschäftigen. Mir ist nicht bange um die Themen. Die zentralere Frage ist, wie das Publikum über unsere Angebote denkt.

Sie haben steigende Besucherzahlen, 16  500 Zuschauer im vergangenen Jahr. 2011 haben Sie das Festival zeitlich und regional ausgeweitet. Können Sie sich weitere Veränderungen vorstellen?

Das Grundgerüst steht mit zwei Wochen und drei Wochenenden. Wir haben in Magdeburg und Halle tolle neue Partner gefunden. Wenn es um Reformation im nächsten Jahr geht, würden wir gern stärker die Standorte Wittenberg, Wörlitz und Köthen bespielen.

Es waren in Dessau nicht alle beglückt, dass Sie den Blick geweitet haben.

Wir haben uns das nicht konspirativ ausgedacht, sondern mit Blick auf das Bauhausjubiläum und die Moderne ein großes Thema im Land gesehen. Wir sind hier in Dessau, in Sachsen-Anhalt, dem Land der Klassischen Moderne. Da macht es Sinn, in die Region zu gehen. Ich kenne Karen Stone (Generalintendantin des Theaters Magdeburg, d. R.) seit den 90er Jahren, wir haben über eine Zusammenarbeit gesprochen und waren sehr willkommen in der Stadt. Wir treffen uns jetzt auch wieder, um zu sehen, was 2017 möglich ist.

Ihr Festival steht für renommierte Interpreten, Nina Hagen ist sicherlich die schillerndste Künstlerin. Wissen Sie schon, mit welchem Programm sie auftreten wird?

Sie wird sich mit Weill und Brecht beschäftigen. In welcher Form, das wissen wir nicht. Wir wissen auch nicht, ob sie in Dessau vielleicht ein anderes Programm machen wird als in Magdeburg, weil ihre Mutter Eva-Maria ja in Dessau auf der Bühne stand. Wir wollten ihr unbedingt freie Hand lassen.

Sie sind bis 2018 Intendant. Was wollen Sie bis dahin erreichen?

Je mehr Spielstätten wir bekamen, desto größer wurde der Aufwand. Der ist aber endlich. Was wir jetzt mit dem Programm und interessanten Künstlern erreicht haben, wollen wir konsolidieren. Es ist ein schönes Gefühl, dass dieser Weg vom Publikum angenommen wird.