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Lesung Eine Frage der Würde

Ilija Trojanow liest zum Bücherfest „umGeblättert“ erstmals in Magdeburg. Grit Warnat hat zuvor mit ihm gesprochen.

17.04.2017, 23:01

Volksstimme: Als Ihr Buch "Macht und Widerstand"  2015 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand, hatten Sie gehofft, dass es Diskussionen um den Umgang mit der Vergangenheit auslöst. Hat es Diskussionen ausgelöst?

Ilija Trojanow: Es ist in vielen osteuropäischen Ländern noch nicht herausgekommen, die Übersetzungen laufen noch. In Bulgarien ist es aber schon auf dem Markt und es gab eifrige Diskussionen. Es war ein Bestseller, wurde einerseits verteufelt und verdammt, andererseits mit großer Intensität rezipiert.

Hat Sie gewundert, dass es verteufelt wurde?

Überhaupt nicht. Es herrscht ja eine Kontinuität der Macht, die eine kritische Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit zu verhindern versucht.

Steht Bulgarien besonders dafür, diese Zeit zu negieren?

Das glaube ich nicht. Ich bin jetzt gerade in Sarajewo und die bosnischen Kollegen erzählen mir, dass es ähnlich ist, dass sich die kommunistische Nomenklatura immer mehr in eine nationalistische Oligarchie verwandelt hat. Und von Kollegen aus anderen Ostblockländern höre ich, dass die dortigen Verhältnisse trotz regionaler Unterschiede nicht viel anders sind.

In Deutschland gibt es eine Behörde, Bücher und Filme zum Thema Staatssicherheit. Wurde das Thema bis dato in Bulgarien nicht erzählt?

Ich glaube, Ihr Eindruck täuscht, dass es in Deutschland so viele Romane gibt zu Macht und Widerstand in der Ex-DDR, zumindest nicht in der Art, wie ich das Thema behandele. Ich frage, wie es den Menschen ergangen ist, die bewusst und organisiert Widerstand geleistet haben und was das Wechselverhältnis zwischen Diktatur und Widerstand ist.

Das ist eine exemplarische Geschichte. Ich war im November für die türkische Übersetzung in Istanbul und da wurde der Roman auch als Ratgeber angefragt, wie man sich bei einer entstehenden Diktatur wie jene von Erdogan positionieren soll. Es ging dabei um Möglichkeiten und Formen des Widerstandes, es ging um die Frage nach Freiräumen.

Wie lange haben Sie für das Buch recherchiert?

Ungefähr 20 Jahre.

Haben Sie Einsicht in Akten erhalten?

Nein, ich habe Akten abgedruckt, die ich von Betroffenen erhalten habe. Und etwa 80 Seiten davon habe ich ja in dem Roman verwendet, indem ich reale Akten und fiktive Handlung verwoben habe.

Warum war es Ihnen wichtig, dieses Thema aufzugreifen?

Es ist eine Frage der menschlichen Würde. Da ist die Dominanz der Akten, diese gigantomanische Produktion von Material, und auf der anderen Seite stehen nur einzelne Stimmen, die teilweise nicht gehört worden sind. In solchen historischen Momenten zeigt sich wirklich, inwieweit man an seine Ideale glaubt und was man bereit ist, dafür zu opfern. Und wie geht dann eine Gesellschaft mit solchen Menschen um, die unerbittlich und kompromisslos sind. In Deutschland hat es auch lange gebraucht, bis man Widerstandskämpfer gegen die Nazizeit etwa rehabilitiert hat.

Ihr Roman endet mit Ihrem Protagonisten Konstantin und den Worten: Es hat sich gelohnt. Sagen Sie als Autor auch: Dieses Problem wird heute anders gehört?

Das müssen die Leser für sich sagen. Aber die Vielzahl an Zuschriften, die Vielzahl an Übersetzungen, die Theaterfassung deutet darauf hin. Ja, die Arbeit hat sich gelohnt.

Mit seiner Lesung aus „Macht und Widerstand“ wird Ilija Trojanow zum Auftakt des Bücherfestes „umGeblättert“ am 27. April um 19.30 Uhr im Moritzhof Magdeburg zu Gast sein. Karten gibt es im Literaturhaus Magdeburg und im Kulturzentrum Moritzhof, Vorverkauf 8 Euro, Abendkasse 10 Euro.