1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Die Mantelmacher

Mode aus Halle Die Mantelmacher

Das erfolgreiche Modelabel ZUKKER aus Halle gewann beim Euro Fashion Award den dritten Preis. Wir stellen die drei Designer vor.

Von Uta Baier 22.06.2016, 23:01

Halle l Mäntel mögen sie am liebsten. Können sie am besten. Machen sie am häufigsten. "Kleider fallen uns extrem schwer. Mäntel liegen uns mehr", sagt Heike Becker vom Modelabel ZUKKER aus Halle.

Gerade haben sie und ihre beiden Kollegen Sebastian Schettler und Benjamin Kräher den dritten Preis beim Euro Fashion Award gewonnen. „Schneiderkunst und traditionelle Mantelstoffe verbinden sich hier zu einer neuen Eleganz“, lobte Juror Alexander Krenn, Chefdesigner bei Vivienne Westwood.

Zum Gespräch über Mäntel, Mode und ihren Preis haben die Designer auf das Dach des Designhauses Halle geladen. Das neue Büro ist noch nicht eingerichtet, denn mehr als ein Jahr haben sie in Leipzig gearbeitet. Nun sind sie mit dem Büro zurück in Halle, wo alle drei studierten und zwei seitdem wohnen.

„Anregungen holen wir uns überall, da ist es eigentlich egal, wo wir arbeiten“, sagt Sebastian Schettler. Verbundenheit ist trotzdem ein großes Thema der jungen Designer. Ihre Kollektionen lassen sie im Erzgebirge produzieren. Einerseits weil die Qualität stimmt und es nah genug ist, um während der Entstehung der Kollektion vor Ort zu sein. Andererseits weil Schettler und Kräher aus dem Erzgebirge stammen. Auch der Label-Name hat mit dem Erzgebirge zu tun: Ein Dichter-Freund des Erzgebirgssängers Anton Günther hieß Fritz Zukker. „Das gefiel uns“, sagt Sebastian Schettler, „weil das nichts mit unseren Namen zu tun hat.“ Während viele Modemacher die Verbindung zwischen sich, ihrem Namen und dem Modelabel so eng wie möglich ziehen, wollen die Designer von ZUKKER da lieber viel Abstand.

Ihre Mode machen die drei Absolventen der Kunsthochschule Halle für selbstbewusste Frauen mit einem sicheren, eigenen Geschmack. Männermode ist für sie nicht so interessant, weil sie weniger abwechslungsreich ist. „Wir sind nicht nur Designer, sondern auch Formgestalter, die mit Silhouetten spielen. Das wird bei Männermode schnell peinlich“, sagt Sebastian Schettler, der selbst am liebsten Sportklamotten trägt. Auch für Heike Becker, die sich vor dem Designstudium zur Herrenmaßschneiderin ausbilden ließ, ist der eigene Geschmack nicht der Maßstab. „Dann müsste ich mich in jeder Kollektion mit mir selbst beschäftigen. Das interessiert mich aber nicht.“ Zwei, drei Teile aus verschiedenen ZUKKER-Kollektionen besitzt und trägt sie. Mehr nicht.

Mode, Designermode ist nicht gerade das, was zuerst mit Sachsen-Anhalt in Verbindung gebracht wird. Es gibt zwar durchaus erfolgreiche Modedesigner mit Ausbildung in Sachsen-Anhalt. Magdeburg stellte mehrfach seine Designer in der Landesvertretung in Berlin vor. Doch von einer Modeindustrie kann man nicht sprechen. Das Wirtschaftsministerium erhebt keine Zahlen zur wirtschaftlichen Bedeutung der Modeindustrie. Das könnte sich ändern. Sina Schönefuß, verantwortlich für Medien- und Kreativwirtschaft bei der Stadt Halle, hat die Designer von ZUKKER jetzt eingeladen, um „zum Preis zu gratulieren und um über Möglichkeiten der Unterstützung und Zusammenarbeit zu sprechen.“

Mit dem Euro Fashion Award-Preisgeld von 10 000 Euro finanzieren ZUKKER die Stoffe für die nächste Winter-Kollektion 2017. „Ohne Preisgeld wäre es auch gegangen, mit Preisgeld geht es besser“, sagt Heike Becker. Und ergänzt, wie stolz sie alle auf den Preis sind. Denn die meisten Mitbewerber waren Studenten oder Absolventen, die viel mehr Zeit für ihre Stücke hatten. ZUKKER produziert zwei Kollektionen im Jahr. Das verkürze den Spielraum und mache rational, sagt Heike Becker.

Kompromisse machen sie trotzdem nicht - schon gar nicht beim Material, das aus nachhaltiger und fairer Produktion stammt. Diese Kompromisslosigkeit hat ihren Preis - bei ZUKKER-Mode ist er ziemlich hoch. Mäntel kosten vierstellige Summen, ein Damenhemd schon mal 400 Euro. Bluse darf man auf keinen Fall sagen, denn bei Blusen denken die Designer an Rüschen und verspielt-feminine Formen und Details. „Aber feminin-verspielt sind wir nicht“, sagt Sebastian Schettler.

Das wäre allerdings auch das Letzte, was einem beim Betrachten ihrer eleganten, präzisen, klaren Kollektionen einfallen würde.