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Museum Moritzburg Spektakulärer Rückkauf

Ein einst als „entartet“ gebrandmarktes Kandinsky-Aquarell ist nach 80 Jahren zurück im Museum Moritzburg.

Von Uta Baier 03.03.2017, 23:01

Halle l Der „Abstieg“ ist zurück in Halle. Nach genau 80 Jahren Abwesenheit ist Wassily Kandinskys Aquarell „Abstieg“ jetzt wieder Teil der Sammlung des Kunstmuseums Moritzburg in Halle.

Als das Blatt 1925 entstand, war Kandinsky, 1866 in Moskau geboren und einer der Gründer der Münchner Künstlergruppe „Blauer Reiter“, Meister am Bauhaus. „Abstieg“ wurde 1929 von Museumsdirektor Alois Schardt zusammen mit vier anderen Kandinsky-Blättern für das Museum angekauft und 1937 von den Nazis als „entartet“ beschlagnahmt. Im vergangenen Sommer wurde es beim Auktionshaus Christie’s in London von einem japanischen Privatsammler eingeliefert. Das Auktionshaus erkannte den Stempel des Hallenser Museums und wandte sich an seinen Direktor Thomas Bauer-Friedrich, der den Ankauf als „Sternstunde für das Museum“ bezeichnet.

Über den Preis ist, wie oft bei solchen Ankäufen, Stillschweigen vereinbart worden. Klar ist, dass Kandinsky-Aquarelle aus dieser Zeit und in vergleichbarer Größe für 300.000 bis 1,3 Millionen Euro auf Auktionen verkauft werden. Britta Kaiser-Schuster, Dezernentin bei der Kulturstiftung der Länder, würdigt das Blatt als „herausragende, repräsentative Arbeit und als einziges dieser Art aus Kandinskys Bauhaus-Zeit“. Entsprechend seiner Bedeutung wird der Preis etwa in der Mitte früherer Auktionserlöse liegen.

Die Kulturstiftung, die Ernst-von-Siemens-Kunststiftung, die Saalesparkasse und das Land Sachsen-Anhalt unterstützten den Kauf durch die Stiftung Dome und Schlösser.

Aktuell wird das 48 mal 32 Zentimeter große Aquarell mit der markanten, ins Blatt hineinragenden Dreiecksform im Museum zu sehen sein, ab Sommer dann in der neu gestalteten Sammlungsausstellung.

Der Weg des Bildes nach der Beschlagnahme am 8. Juli 1937 ist typisch für die sogenannte entartete Kunst. Erst wurde es in der Wanderausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt, dann kam es ins Depot auf Schloss Schönhausen in Berlin. 1940 kaufte es der Kunsthändler Hildebrandt Gurlitt und verkaufte es an einen Privatsammler. 1964 bot es das Kunsthaus Lempertz in Köln in einer Auktion an – trotz Hallenser Provenienz. Aus deutschem Privatbesitz gelangte es nach New York, wo es bis Ende der 1980er Jahre verschiedene Eigentümer hatte. Danach kaufte es ein Sammler aus Japan und behielt es. Bis jetzt.

„Es läuft nicht immer so gut, aber der japanische Verkäufer erklärte sich bereit, das Blatt nicht in die Auktion bei Christie’s zu geben, sondern es dem Museum zu verkaufen“, sagt Britta Kaiser-Schuster. Damit kehrt das 14. Werk, das einst als „entartet“ die Moritzburg verlassen musste, zurück nach Halle.

Insgesamt verlor das Museum durch diese Beschlagnahmeaktion 59 Gemälde, 52 Zeichnungen, 34 Aquarelle und ein Mosaik. Darunter waren allein 13 Gemälde von Lyonel Feininger, die während seines Halle-Aufenthalts entstanden, sieben Werke von Ernst-Ludwig Kirchner, fünf von Oskar Kokoschka, sechs von Emil Nolde und sieben von Kandinsky.

Die Entschädigung, die der Nazistaat dem Hallenser Museum zahlte, kam in zwei Raten und betrug 6825 und 9155 Reichsmark. Bedenkt man, dass allein Franz Marcs Gemälde „Hirsche im Wald“, das Museumsdirektor Alois Schardt 1927 von der Witwe des Künstlers für Halle kaufte, 20.000 Reichsmark gekostet hatte, kann man ermessen, dass diese Zahlungen nur symbolisch und äußerst dürftig waren.

Wie bedeutend die beschlagnahmten Hallenser Bilder sind, kann man auch an ihren heutigen Aufenthaltsorten ablesen: Museum of Modern Art New York, Kunstmuseum Basel, Statens Museum for Kunst Kopenhagen, Busch-Reisinger-Museum Cambridge und Museen in Hamburg, München, Stuttgart, Berlin, um nur die größten Sammlungen zu nennen.

Nachdem einige wenige Werke direkt nach dem Krieg nach Halle zurückgeholt werden konnten, viele von den Nazis aber in alle Welt verkauft worden waren, bemüht sich das Museum seit 1989 systematisch um die Wieder-Vervollständigung seiner Sammlung. So wurden beispielsweise 1994 Erich Heckels Gemälde „Beim Vorlesen“, 1996 Lyonel Feiningers „Der Dom in Halle“ zurückgekauft, 2009 dann sein „Roter Turm I“, 2002 Noldes „Lichte See“. Und jetzt Kandinskys wunderbar gut erhaltener „Abstieg“.