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Die Toten Hosen Campino spürt Verunsicherung

Campino, Sänger der Band Die Toten Hosen, spricht über neue Verunsicherungen, alte Fehler und den Zeitpunkt, von der Bühne zu gehen.

06.05.2017, 23:01

Magdeburg (dpa) l 35 Jahre nach der Gründung sind Die Toten Hosen immer noch am Start, jetzt erscheint das 16.   Studioalbum „Laune der Natur“. Am 29. Mai geben sie ein Konzert in Magdeburg.

Im Beiheft des neuen Albums steht, jede Platte ist eine Momentaufnahme aus dem Leben. Wo stehen Die Toten Hosen, so steht Campino heute?

Campino: Wenn ich die Karten auf den Tisch legen und meine derzeitige Situation mit einem Wort beschreiben soll, würde ich sagen: verunsichert. Ich hoffe, dass sich das bald gibt, aber ich spüre Verunsicherung. Das ist aber ein Zustand, der zum Leben dazugehört und der in Zyklen immer wieder auftaucht.

Warum kommt die Verunsicherung gerade jetzt wieder?

Vielleicht hat das bei uns etwas damit zu tun, dass wir noch nicht ins Altenlager gehören, aber auch definitiv nicht mehr zur ganz jungen Garde. Wenn man so will, sind wir in einer Übergangsphase. Man rennt sehr lange durchs Leben und holt sich Aufmerksamkeit und Energie von außen, stopft sich voll mit Erlebnissen und hinterfragt die Welt viel weniger. Aber irgendwann merkt man: Die Kraft und die Erkenntnisse muss man von innen schöpfen.

Die aktuelle Weltlage trägt ja auch nicht gerade zu einem Sicherheitsgefühl bei...

Das ist richtig. Jeder weiß, dass das Europa, wie wir es kennen, als Konstrukt in Gefahr ist. Ich selbst habe mich immer sehr wohl gefühlt als EU-Bürger. Mir macht der Gedanke Spaß, Europäer zu sein. Das hat sicher damit zu tun, dass meine Mutter aus England kommt, dass ich halb Engländer, halb Deutscher bin und mich nirgends zugehörig fühlte. Aber ich konnte mit hundertprozentiger Überzeugung sagen: Europäer, das bin ich. Die Brexit-Entscheidung hat mir unglaublich wehgetan und mich enttäuscht.

Wie sehen sich Die Toten Hosen selbst derzeit? Würden sie sich nach wie vor als politische Band bezeichnen?

Ich glaube, dass die Leute nach all den Jahren wissen, wer wir sind und wofür wir stehen, da braucht es jetzt nicht das zwölfte Anti-Nazi-Lied von den Toten Hosen. In dieser schnelllebigen Zeit ein politisches Lied zu schreiben, ist wahnsinnig schwierig, weil sich die Ereignisse überstürzen. Das kann schnell unaktuell und platt werden – und dass Donald Trump ein Idiot ist, da sind wir doch eh alle einer Meinung.

Die Toten Hosen haben sich 1982 gegründet, Helmut Kohl wurde zum Kanzler gewählt. War damals der politische Protest – zumindest national – einfacher?

Natürlich. Der Gegner war eindeutig klar, das war die Regierung. Es stand für uns außer Frage, wer gut und böse ist. Heute hat sich diese Feindwahrnehmung völlig verschoben. Die Bundesregierung gilt als stabile Säule, die Europa zusammenhält.

Irgendetwas, was Sie bereuen aus den vergangenen 35 Jahren?

Reichlich. Aber es bringt nichts, sich heute darüber den Kopf zu zerbrechen. Im Nachhinein bist du immer schlauer. Fehler prägen deutlich mehr als Erfolgsmomente.

Welche Fehler?

Verantwortungsloses Verhalten. Nehmen wir das 1000. Konzert [Anm.: 1997 in Düsseldorf starb ein Mädchen im Publikum]. Das war kein Fehler von uns, aber es passierte eine Katastrophe. Dieses Unglück hat mir klargemacht, dass unser damaliges Motto ein totales No-Go war und ist: „,Wir sind die Toten Hosen. Willkommen zum Konzert. Betreten auf eigene Gefahr.‘ Damals fanden wir das lustig. Dieser Spruch ist seit diesem Tag nie wieder gefallen und er ist auch Unsinn. Wir möchten alles tun, damit die Leute, die unsere Konzerte besuchen, auch wieder unversehrt nach Hause kommen.

Wie lange wird es denn noch weitergehen mit den Toten Hosen?

Wir hören auf, wenn uns ein Schicksalsschlag ereilt oder wir spüren, dass wir nicht mehr die Kraft haben, unsere Sachen mit voller Leidenschaft zu bringen. Oder wenn es anfängt, lächerlich zu wirken.

Die Toten Hosen geben am 29. Mai ein Konzert in der Getec-Arena. Es gibt Songs des neuen Albums und „Stampfer aus 35 Jahren Hosen-Historie“, so die Band. Der Vorverkauf für das Konzert läuft über die Internetseite der Band. Tickets kosten 42 Euro (zzgl. Gebühren).