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Element of Crime Sven Regener: "Ohne Humor ist alles nichts"

Element of Crime spielt am 18. April im Amo in Magdeburg. Mit Sven Regener, Sänger und Songwriter der Band, sprach Alexander Dinger.

13.04.2016, 23:01

Volksstimme: Herr Regener, Sie spielen an einem Montag in Magdeburg. Sie haben somit die historische Chance verpasst, an einem Sonntag im April (Song von Element of Crime, d. Red.) in Magdeburg zu spielen.

Sven Regener: (lacht) Die Frage ist, wo spielen wir an dem Sonntag.

Sie sind nicht zum ersten Mal hier. Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie an Magdeburg denken?

Och, in Magdeburg waren wir eigentlich schon recht früh. Kurz nach der Wende hatten wir da schon gespielt. Das erinnert mich daran, dass es damals ja noch die Beschilderung mit „Transit Westberlin“ gab. Teilweise waren diese Schilder aber schon abgebaut. Wir spielten also in Magdeburg und fuhren zurück und fanden den Weg rein nach Berlin nicht mehr. Wir nahmen die falsche Abfahrt und landeten irgendwo in Spandau.

Magdeburg ist zum Beispiel aber auch Tokio Hotel. Dann ist Magdeburg eine Stadt, die im Dreißigjährigen Krieg viel leiden musste. Und es ist eine Landeshauptstadt an der Elbe. Das darf man nicht vergessen. Immerhin eine von drei in Deutschland.

Ist Magdeburg auch so ein bisschen wie damals hinterm Mond?

Das weiß ich nicht. Das würde ich nicht sagen wollen. Ich hatte gerade erst ein Gespräch darüber, wie das mit der Interpretation von Liedern ist. Kurz nach der Wende hatten wir auch in Plauen gespielt. Damals kam eine Frau zu mir und fragte mich, wo im Osten ich aufgewachsen sei. Ich sagte ihr, dass ich aus Bremen komme. Sie meinte, dass jemand, der ein Lied wie „Damals hinterm Mond“ schreibt, im Osten aufgewachsen sein muss.

Aber ist Kunst nicht dazu da, dass jeder seine eigene kleine Welt hineininterpretieren kann?

Da ist ja auch was dran. Auch in Bremen-Ost, da, wo ich aufgewachsen bin, gab es Naivität und Wunschdenken, was das Leben und die Welt betrifft. Und davon handelt ja das Lied.

Wenn wir schon beim Interpretieren sind: Was hat es mit dem Titel ihrer aktuellen Platte „Lieblingsfarben und Tiere“ auf sich?

Das hat etwas Beziehungsreiches. Lieblingsfarben und Lieblingstiere sind ja beide etwas sehr Kindliches. Das Lied, was der Platte seinen Titel gab, hat ja von der Melodie her auch so etwas Infantiles. Weil es davon handelt, sich ab einem bestimmten Punkt mal den Zwängen des ganzen Arbeits-, Berufs- und auch des Internet- und Kommunikationslebens zu entziehen und zu sagen: Lasst mich in Ruhe. Heute bin ich für niemanden zu erreichen. Eigentlich so ein kindlich-regressiver Moment. Und dafür steht so etwas wie Lieblingsfarben und Lieblings-tiere. So etwas haben ja nur Kinder.

Wenn man Rezensionen zu Ihren Konzerten und Platten liest, ist viel von Melancholie die Rede. Ich finde ihre Platten und Konzerte zu großen Teilen auch witzig. Wie wichtig ist für Sie Humor?

Ich glaube, dass es ohne Humor gar nicht geht. Humor ist sicher nicht alles und wir sind auch keine witzige Band im engeren Sinne. Ich fand das als Kind allerdings ganz toll, in den 70er Jahren, als das im Westen aufkam, die Blödelbarden wie Insterburg und Co., Otto, Ulrich Roski und wie sie alle hießen. So eine Art von Musik machen wir allerdings nicht.

Humor ist nicht alles, aber ohne Humor ist alles nichts. Auch das traurigste Lied, das traurigste Buch und das traurigste Bild ist ohne Humor nichts. Denn Humor ist das, was uns Dinge mit etwas Distanz sehen lässt. So, dass wir über uns selbst und über unsere Existenz lachen können.

Natürlich machen wir eher traurige Lieder. Und natürlich haben die auch etwas Gebrochenes. Dieses Gebrochene ist ein Element von Humor. Wobei natürlich schon das Reden über Humor etwas Humorloses hat.

Das ist aber ganz schön meta.

Ja, das ist eine ziemliche Meta-Antwort. Es war aber auch eine ziemliche Meta-Frage.

Humor lässt also die Nachrichten leichter ertragen. Finden Sie, dass Musiker politisch sein können?

Im engeren Sinne finde ich das ein bisschen problematisch. Das hat so etwas Manipulatives. Ich bin in der Politik sehr für Aufklärung und Vernunft. Und Künstler sind ja eigentlich Leute, die zuständig sind fürs Gefühl. Wenn man dieses Gefühlsding nimmt, was ja in der Kunst unerlässlich ist, und ummünzt in eine politische Aussage, ist das immer problematisch.

Will man im engeren Sinne politisch werden, sollte man das auch mit politischen Mitteln tun. Denn dann möchte ich auch gern, dass jemand widersprechen kann und es auch eine Diskussion gibt. Wenn ein Künstler es überhaupt jemals geschafft hat, aus einem Konzert heraus eine politische Debatte anzustoßen, dann war das Wolf Biermann mit seinem Köln-Konzert. Da ging es wirklich hin und her.

Ich glaube, jemand, der die Musik von Element of Crime hört, hat auch eine bestimmte Einstellung zum Leben. Ich glaube aber nicht, dass man die Liebe zu solchen Songs, wie wir sie machen, direkt ummünzen kann in ein bestimmtes politisches Engagement. Und weil ich Politik ernst nehme, möchte ich eigentlich nicht, dass darin gesungen wird.

Ihre aktuelle Platte ist von 2014. Sie gehen jetzt auf ausgedehnte Tour. Ist danach auch eine neue Platte am Start?

Das kann man noch nicht sagen, so weit würden wir nicht vorausplanen wollen. Tatsächlich ist es immer so, dass wir mit einer neuen Platte immer zwei Tourneen machen. Jetzt kommt gerade eine neue Single mit vier Titeln raus, wovon einer ein neuer Song ist. Das fand ich interessant. Dass wir zwischen zwei Alben einfach mal so einen neuen Song schreiben.

Sie sind nicht nur Musiker, sondern auch ein erfolgreicher Autor. Ist da etwas geplant?

Nun ja, selbst wenn, dann wären das doch bis jetzt noch ungelegte Eier. Da bin ich vorsichtig, etwas zu sagen, weil man nie weiß, ob da auch etwas bei herauskommt. Am Ende wird man noch zum Ankündigungsweltmeister.

Wenn wir schon beim Ankündigen sind. Auf was können sich die Magdeburger freuen?

Wir werden viel von „Lieblingsfarben und Tiere“ spielen, aber sicher auch ein paar alte Sachen. Songs wie „Weißes Papier“ kann man sicher schon erwarten. Aber wir werden auch Lieder spielen, mit denen man schon lange nicht mehr gerechnet hat. Für so etwas ist im Programm immer Platz.