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Konzertreihe Geballte Kraft zweier Klangkörper

Die „Stunde der Klassik“ ist in eine neue Saison gestartet - mit der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie und dem Kammerorchester Wernigerode.

Von Hans Walter 23.10.2016, 23:01

Wernigerode l Die „Stunde der Klassik“ ist die erfolgreichste Konzertreihe in Wernigerode. Am Freitag startete sie im fürstlichen Marstall in die neue Saison. Wie schon öfter gestalteten das heimische Philharmonische Kammerorchester und die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie Schönebeck unter Leitung des Niederländers Gerard Oskamp ein erlesenes Gemeinschaftskonzert. Die Leistungskraft beider Klangkörper potenzierte sich in schönster Weise.

Zu Beginn hatte Oskamp die „Tragische Ouvertüre“ Opus 81 von Johannes Brahms gesetzt. Sie gibt nicht – wie in der Oper – eine inhaltliche Zusammenfassung, sondern als echte Konzertouvertüre eine programmatische Idee preis. In zumeist düsterem Moll entsteht das wuchtige Bild eines rätselhaft unentrinnbaren Schicksals.

Damit korrespondierte das dritte Werk des Abends – die Sinfonie Nr. 6 in h-Moll „Pathétique“ von Peter Tschaikowski, die letzte Sinfonie des Meisters, die Quintessenz seines sinfonischen Schaffens. Dahinein „legte ich ohne Übertreibung meine ganze Seele … Ich liebe sie, wie ich nie vorher eines meiner musikalischen Kinder geliebt habe“, schrieb der Komponist. Ein gleichfalls rätselhaftes Opus. „Leben“ kennzeichnete er als Idee seiner Sinfonie.

Maestro Oskamp zeichnete in den vier Sätzen die gegensätzlichen Stimmungen. Einerseits Seelenpein und Aufbegehren, andererseits die Vision von einem Lebenstraum in Harmonie und Freude. Besonders der zweite Satz ist tänzerisch heiter, im dritten Satz erklingt ein festlicher, sieghafter Marsch. Dazu der Kontrast im Finalsatz – Traurigkeit und geradezu unstillbare Qual. Ein Verklingen und Verwehen im Pianissimo. Oskamp modellierte in seinem Dirigat der „Pathétique“ wohl auch die tiefe Tragik im Leben Tschaikowskis zwischen Ruhm und gesellschaftlicher Ächtung. Eine sehr bewegende Interpretation mit weiten Spannungsbögen.

Der Mittelteil des Konzertabends dann gehörte einem Wunderkind – der 16-jährigen Natasha Binder am Klavier. Sie entstammt der bedeutenden südamerikanischen Pianistendynastie Tiempo, spielte schon als Zehnjährige Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 in Buenos Aires. 2015 waren sie und ihre Mutter – die Pianistin Karin Lechner – sehr erfolgreich mit der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie auf Tournee in den Niederlanden und Belgien.

Nun gestaltete sie technisch perfekt das festliche Klavierkonzert Nr. 1 Es-Dur von Franz Liszt. Wie improvisiert klingende Akkordketten und Doppelgriffe in beiden Händen und Tremoli verrieten ihre Meisterschaft. Außerordentlich virtuos! Und dazwischen das zarte „Läuten“ eines Triangels im dritten Satz – aus diesem Grund bekam das Werk auch den Beinamen „Triangel-Konzert“. Als Zugabe nach dem Beifallssturm dann ein gefühlvoller, heiter-nachdenklicher Debussy.

Mit dem gleichen Konzert spielten beide Klangkörper am Sonnabend und Sonntag auch in Aschersleben und Schönebeck auf.