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Osterfestspiele Eine Retro-Show zum Gedenken

Die alte Karajan-Walküre von Richard Wagner wird im Rahmen der Salzburger Osterfestspiele wieder zum Leben erweckt.

09.04.2017, 23:01

Salzburg (dpa) l Angstvoll um sich schauend, wie von einer Hundemeute gehetzt, erstürmt Siegmund, angetan wie ein moderner Rucksacktourist, vom Zuschauerraum aus die Bühne, sucht Schutz am Fuße eines Baumriesen. Dort entfacht er ein wärmendes Feuerchen. Im Loch des Mammutbaums erscheint dann kein Ranger des Sequoia-Nationalparks, der den Backpacker zur Ordnung ruft, sondern Sieglinde. Zwischen beiden entspinnt sich eine leidenschaftliche Liebe. So beginnt die erste Szene von Richard Wagners „Walküre“, die am Samstagabend bei den Osterfestspielen Salzburg Premiere hatte.

Eine Verbeugung vor Herbert von Karajan, der das Festival vor 50 Jahren gegründet hatte. Als Eröffnungsinszenierung hatte er damals, im Jahr 1967, eben jene zweite „Ring“-Episode von Richard Wagner im Bühnenbild von Günther Schneider-Siemmsen präsentiert. Zum 50. Festivaljubiläum holten nun der Stardirigent Christian Thielemann und der Salzburger Geschäftsbesorger Peter Ruzicka diese Inszenierung aus der Mottenkiste, ließen es szenisch von der Regisseurin Vera Nemirova aufhübschen. Das mit einiger Spannung erwartete Experiment gefiel dem Premierenpublikum durchaus, das kurz ,aber heftig applaudierte.

Karajan war ein genialer Dirigent und Musikverkäufer. Einmal im Jahr versuchte er sich auch als Regisseur. Dafür hatte er mit den Osterfestspielen eine Art Privatfestival gegründet. Karajan inszenierte ganz aus dem Geiste der Musik, für Psychologie oder gar Politik auf der Bühne interessierte er sich nicht. Wie überliefert, feilte er an der ausgeklügelten Lichtregie. Die Retro-Inszenierung war garniert mit ein paar notorischen Versatzstücken des aktuellen Regietheaters: ein weißer Clubsessel für Wotan, ein hölzernes Steckenpferd für Brünnhilde - und Siegmund durfte sich eine Zigarette drehen. Beim finalen „Feuerzauber“, mit dem Wotan seine untreue Tochter Brünnhilde auf dem Walkürenfelsen bannt, formierten sich die gefallenen Walhalla-Helden, die eher an Kanonenfutter erinnerten, zum Fackelzug. Ein Anflug von Gesellschaftskritik.

Eigentlich handelte es sich bei der angekündigten Karajan-“Rekreation“ - die Regiebücher sind verschollen - um die Rekonstruktion des Bühnenbildes. Der Erkenntnisgewinn der Vergangenheits-Befragung fiel insgesamt jedoch mager aus. Ja, visionäre Bildideen können auch nach Jahrzehnten noch überzeugen. Dennoch: Die Wiederauferstehung alter Operninszenierungen, mögen sie auch legendär sein, sollte die Ausnahme bleiben.