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Puppentheater Räubertrio im Varieté

Räuberwald im Varieté? Das Puppentheater Magdeburg erzählt Tomi Ungerers Bilderbuch „Die drei Räuber“ auf einer schrill-bunten Showbühne.

Von Kathrin Singer 26.02.2017, 23:01

Magdeburg l Tomi Ungerer, mittlerweile 85-jähriger international bekannter Autor und Illustrator zahlreicher Bilderbücher für Kinder und Erwachsene, wurde selbst mit knapp vier Jahren Halbwaise und widmete viele seiner Bücher vierjährigen Kindern. Der in mehr als 20 Sprachen übersetzte und 2007 kongenial verfilmte Bilderbuchklassiker aus dem Jahr 1961 erzählt die Geschichte des Waisenmädchens Tiffany, deren Kutsche auf dem Weg zur kinderhassenden Tante überfallen wird. Da bei dem Mädchen nichts zu holen ist und die drei Räuber weniger hartherzig sind als sie sich zunächst geben, nehmen sie die Kleine kurzerhand mit in ihre Höhle. Dort wirbelt das Kind das eingefahrene Leben der drei Raubeine derart durcheinander, dass diese am Ende auf eine tolle Idee kommen, was sie mit all dem aufgehäuften Gold anstellen könnten.

Regisseur Leonhard Schubert verlegt die Geschichte aus dem düsteren Räuberwald in ein kitschbuntes Varieté. Sein Ausstatter Jonathan Gentilhomme hat ihm dafür eine Bühne fast ausschließlich aus Schaumstoff gebaut. Die rosafarben genoppte Rückwand mit den drei Auftrittstoren lässt sich effektvoll anstrahlen und in verschiedene Schauplätze verwandeln.

Die Geschichte der drei Räuber, die auf wundersame Weise in gute Menschen verwandelt werden, ist so legendär und unglaublich, dass sie in der Magdeburger Variante von drei Artistinnen während ihrer Show-Tournee überall erzählt wird. Jana Weichelt, Anna Wiesemeier und Freda Winter schlüpfen dafür in schweißtreibende Plüschgewänder, legen üppige Strickperücken und -bärte an und verwandeln sich so in die rundlichen, etwas tumben Räuber. Die haben sich über ihr tägliches Tun noch nie Gedanken gemacht, geschweige denn darüber, was sie mit dem geraubten Gold machen sollen.

Das genervte Antworten auf Tiffanys naive Kinderfragen, was genau sie eigentlich mit dem Beuteschatz anstellen wollen, und das anschließende räuberische Brainstorming darüber gerät zu einem der witzigen Höhepunkte der Inszenierung und führt das absurde Tun Erwachsener auf amüsante Weise vor.

Leonhard Schubert setzt auf eine temporeiche Inszenierung voller Sprachwitz und Action auf der Bühne. Dabei hilft ihm die fast durchgängige Bühnenmusik, die eigens von Bernhard Range komponiert wurde und an eingängige Sounds aus Westernfilmen erinnert. Das verlotterte Räuberhaus wird durch Styroporstückchen, die in den Mänteln der Räuber hängenbleiben, schmuddelig, das geraubte Gold fällt in Form von gelben Plastikbällchen vom Bühnenhimmel, als Tiffany, die einzige Puppe der Inszenierung, aus purer Neugier an der von der Decke baumelnden Schnur zieht. Die Räuber mit ihrem überdimensionalen Pfefferstreuer und dem großen roten Schaumstoffbeil wirken hingegen wie lebensgroße Puppen, direkt aus einem Bilderbuch entsprungen, werden jedoch an keiner Stelle richtig bedrohlich.

Dafür schafft das Ensemble den Spagat zwischen der teilweise übertriebenen Heiterkeit der Räuberszenen und stillen Momenten, so wenn Freda Winter von Tiffanys Verlust der Eltern erzählt und davon, dass auch den Räubern, also den Erwachsenen, etwas verloren gegangen sein muss.

Beim Happy End bleibt das Gefühl, dass Räuber wohl doch die besseren Eltern sein müssen, denn das geraubte Gold wird in ein Schloss und schließlich in die Neugründung einer Stadt investiert, in dem Waisenkinder wie Tiffany ein besseres Zuhause finden.

Karten für das Stück „Die drei Räuber“ gibt es noch für die Vorstellungen am 5. März, 15 und 16.30 Uhr, sowie am 6. März 9 und 10.30 Uhr, Telefon 0391/5  40  33  10.