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Puppentheater Was zählt sind „coole Moves“

Es wird wild getanzt auf der Puppentheaterbühne! Das interkulturelle Theaterprojekt „Das Haus“ wurde begeistert gefeiert.

Von Kathrin Singer 16.10.2016, 23:01

Magdeburg l „Über Grenzen gehen“heißt das aktuelle Motto des Puppentheaters,  das unter anderem durch die Spenden Aktion „Volksstimme-Leser helfen“ ermöglicht. Die jugendlichen Spieler nehmen das Motto wörtlich und schieben die beiden grauen Mauerblöcke auf der Bühne gleich zu Beginn auseinander, um Platz zu machen. Platz für ihre Ideen, Träume und phantasievollen Szenen. Und vor allem Platz zum ausgelassenen Tanzen!

Ein Wohnhaus mit mehreren Stockwerken, Dachboden und Hof und voller lebhafter Bewohner ist ein Quell unterschiedlicher Geschichten. Diese haben die Mitspieler im Alter von 11 bis 18 Jahren gesammelt, erdacht, erinnert und daraus eine Szenenfolge poetischer, komischer und anrührender Episoden entwickelt. Betreut und begleitet wurden sie dabei fast ein Jahr unter anderem von Breakdancer Christian Sasse, der auch das äußerst wandelbare Bühnenbild erdachte, vom Leiter des Puppentheaterclubs, Michael Morche, von der Theaterpädagogin Marlen Geisler und in einem Maskenworkshop von dem afghanischen Regisseur und Puppenspieler Nasir Formuli.

Die jungen Akteure, die teilweise erstmals auf einer Bühne standen, kommen aus verschiedenen Ländern, vor allem aber aus Syrien, Afghanistan und Deutschland. Doch auch wenn die zahlreichen Koffer auf der Bühne, aus denen auch mal Möbel gebaut werden, stets auf das Ungewisse hinweisen - es sind keine Fluchtgeschichten, die erzählt werden, sondern Schlaglichter aus jugendlichem Alltag, eigene Spielideen der Kinder, begleitet von allerlei Fabelwesen. Da sind zwei Brüder, die in der engen Wohnung des Vaters keinen Platz zum Tanzen finden, das Mädchen, das in der traditionell muslimischen Familie ihre Rolle einzunehmen hat und ausbricht, die zarte SMS-Liebesgeschichte im Bus, ein Versteckspiel auf dem Dachboden, magische Schuhe, die den Träger perfekt tanzen lassen. Nur kurz leuchten schmerzhafte Erinnerungen auf, wenn einer der Jungs nüchtern erzählt, wie er seinen in Afghanistan zurückgelassenen Freund vermisst, und in einer Traumsequenz eine Gruppe weiß maskierter Gestalten die Freunde gewaltsam auseinander reißt. Doch es dominieren lebensfrohe, kraftvolle Szenen, denn eines schweißt die Jugendlichen zusammen: Breakdance. Über alle kulturellen Unterschiede hinweg – wenn es um geschickt ausgeführte, coole Moves geht, versammeln sich alle im Hof, und die durchweg maskierten Eltern schauen zu. Die fünfzehn Jugendlichen machen den Erwachsenen verblüffend einfach vor, wie ein Annähern gelingen könnte. Intendant Michael Kempchen wird später davon sprechen, dass Schritte der Integration genau auf diese Weise gelingen könnten. Und der Abend liefert die Momente, die einmal mehr klar machen, wozu Theater in der Lage und wie relevant es sein kann.

Die knapp einstündige Produktion wird übrigens auf Anfrage mobil angeboten und kann gern vor allem von Schulen angefragt werden.