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Schloss Wernigerode Der Restaurator packt die Pinsel ein

23 Jahre lang wurden die Königszimmer im Wernigeröder Schloss restauriert. Jetzt sind die Arbeiten beendet.

Von Julia Bruns 09.06.2016, 01:01

Wernigerode l Mit ruhiger Hand, Sachverstand, Skalpell und dem einen oder anderen Ei sind die Wandmalereien in den Königszimmern von Schloss Wernigerode restauriert worden. Jetzt sind jene Gemächer, in denen König Wilhelm I. 1868 nächtigte, nach 23 Jahren intensiver Arbeit fertiggestellt. Der spätere Kaiser – er wurde 1871 gekrönt – besuchte das Schloss mehrmals, vor allem zur Jagd. Zuletzt nächtigte er 1887 dort im hohen Alter von 90 Jahren. Damit er keine Treppen steigen musste, nutzte er allerdings die Räume des Fürsten.

Die von Schlossarchitekt Carl Frühling geplante Wohnung erstrahlt wieder in altem Glanz – allerdings nicht an allen Stellen. „Wenn man die Wände so sieht, dann fragt man sich vielleicht: Was haben die Restauratoren eigentlich die ganze Zeit über gemacht?“, sagt Christian Juranek, Geschäftsführer der Schloss Wernigerode GmbH. Der unfertige Eindruck ist nicht von der Hand zu weisen: Vereinzelt sind Ornamente gar nicht rekonstruiert worden. Dabei ist ein sechsstelliger Fördergeldbetrag des Landes in die Restauration geflossen.

Der Eindruck ist durchaus gewollt, klärt der Museumsdirektor auf: „Es ist gegenüber dem Besucher nur ehrlich, eine gewisse Entwicklung darzustellen.“ Zu dieser gehören auch Fehlstellen und vermeintliche Makel. „Wir versuchen, das alte Material zu erhalten. Das Schloss ist kein Disneyland.“

1960 wurden die Wände erstmals mit weißer, kunstharzgebundener Farbe überstrichen – der Albtraum eines jeden Restaurators. „Diese Farbe war sehr hartnäckig und nur schwer zu entfernen“, sagt Christoph Gramann. Seit vielen Jahren hilft er, den Wandmalereien im Wernigeröder Wahrzeichen neues Leben einzuhauchen. Die Arbeitsplätze des Potsdamers sind vielfältig: Die Klosterkirche in Gernrode und das Neue Museum auf der Berliner Museumsinsel haben von seiner Expertise profitiert. Sein Werk können Besucher auch im Festsaal des Wernige­röder Schlosses bestaunen.

Vor zehn Jahren wurden die alten Farbschichten und Tapeten im Erker entfernt, vor zwei Jahren begann die heiße Testphase. Arbeitsmuster wurden erstellt, Konzepte wieder verworfen. Ein Problem: Gut ein Fünftel der weißen Farbe ließ sich nicht ohne Weiteres mit dem Skalpell entfernen. Lösemittel und Abbeizer kamen zum Einsatz.

So musste ein Teil der Malereien rekonstruiert werden. „Wir haben die Fehlstellen mit japanischem Seidenpapier überklebt und die Ornamente mit Schablonen nachgezeichnet“, erläutert Gramann. Kittung wurde eingearbeitet und stark geschädigte Bereiche mit eigens angemischten Farben retuschiert.

„Nein, die Farben, die wir genutzt haben, kann man nicht im Laden kaufen“, sagt er und lacht. Viele Pigmente und Zusätze hat der Restaurator an einem drei Meter langen Tisch gemischt, um die exakten Nuancen der alten, freigelegten Wandmalereien nachzuempfinden. Ja, sogar das eine oder andere Ei ist in den Tiegeln gelandet, verrät er, wenn auch hinter vorgehaltener Hand. „Ziel war ein ganz feiner, matter Glanz“, sagt er. Besonders im lichtdurchfluteten Erker fallen Unterschiede in der Oberflächenstruktur schnell ins Auge.

Es waren ausgefeilte Technologien, mit denen die damaligen Kunsthandwerker jene Malereien schufen. „Die Ornamente sind selbst in acht Metern Höhe noch von einer bemerkenswerten Genauigkeit gekennzeichnet“, sagt Gramann. Mit Abschluss des Erkers ist nun auch seine Arbeit getan. Demnächst ist er in der Klosterkirche in Bergen auf Rügen tätig.

Demnächst wird der Erker mit Mobiliar komplettiert. „Wir haben die alten Gardinen nachweben lassen“, verrät Direktor Christian Juranek.