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Tatort Mördersuche ohne Drehbuch

Ein Mord im Mundarttheater beschäftigt Ermittlerin Lena Odenthal. Regisseur Axel Ranisch kommt im "Tatort" ohne richtiges Drehbuch aus.

Von Jasper Rothfels 26.02.2017, 01:00

Ludwigshafen l Der neue „Tatort“ mit Lena Odenthal wird von vielen mit Spannung erwartet. Das hängt weniger mit dem aktuellen Fall der Ludwigshafener Ermittlerin (gespielt von Ulrike Folkerts) zusammen als mit der Herangehensweise von Filmemacher Axel Ranisch. Der hat nämlich Neuland betreten und – erstmals in der Geschichte der für Experimente bekannten Krimireihe – ohne ausformuliertes Drehbuch und mit viel Improvisation gedreht. „Tatort – Babbeldasch“ heißt der Film, der an diesem Sonntag (20.15 Uhr) im Ersten läuft. Er hat das Potenzial, die Fernsehgemeinde zu spalten.

„Babbeldasch“, das ist der Name eines (fiktiven) Ludwigshafener Mundarttheaters, in das Odenthal abends von ihrem Kollegen Peter Becker (Peter Espeloer) geführt wird. Boulevardtheater auf Pfälzisch ist nicht ihr Ding, das wird schnell klar. Spannend wird es, als die Theaterchefin Sophie Fettèr ihren Einsatz verpasst – weil sie tot in ihrer Garderobe liegt. Die Mimin, die allergisch gegen Mohn war, starb an einem mit Mohn präparierten Schokocroissant – und weil ihr Notfallset nicht dort lag, wo es sein sollte. Es beginnt die Suche nach Antworten auf die Frage, wer sie umgebracht hat.

Odenthal und ihr Team haben dabei viel mit den Theaterleuten zu tun, die von den Amateurschauspielern des (realen) Mundarttheaters Hemshofschachtel gespielt werden.

Regisseur Ranisch, der nach eigenen Angaben ein großes Bedürfnis nach Glaubhaftigkeit und Realismus hat, setzt dabei auf besondere Stilmittel. „Die Schauspieler sollen keine Dialoge auswendig lernen, sie sollen vielmehr reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, einander zuhören und authentisch reagieren“, sagt er im Interview mit dem Südwestrundfunk. Und: Er lässt die Akteure lange im Dunklen tappen. „Weder unsere Kommissare noch unsere Ensemblemitglieder wussten vor Drehbeginn, was genau im Film passieren würde oder wer der Mörder ist“, sagt Ranisch. „Vor jeder Szene habe ich mich mit den Schauspielern zusammengesetzt und erklärt, was als Nächstes passieren wird.“ Außerdem wurde nach seinen Angaben lange an den Figuren gearbeitet, und es gab Improvisationsübungen.

Mitunter scheint es aber, als ob Ranisch Opfer des eigenen Anspruchs wird. Zwar spielen alle – Amateure wie Profis – beherzt und mit sichtlicher Freude an der Sache auf, und Mancher leistet Großes. Aber aus dem Filmpersonal wird keine homogene Mannschaft.

Zu sehr unterscheiden sich Amateure und Profis oft in der Bandbreite und Differenziertheit der präsentierten Emotionen und hinsichtlich der Sprechtechnik, etwa bei Tempo und Betonung. Das Ergebnis, so scheint es, ist oft eher ein Neben- als ein Miteinander, das nicht immer Filmfiktion entstehen lässt. Der Film scheint in solchen Momenten eher auf die Umstände zu verweisen, unter denen er entstand.

Hauptdarstellerin Folkerts zeigt sich angetan. „Für mich bedeutet das: keinen Text lernen und nicht wissen, wer der Mörder ist“, sagte sie kürzlich. Das Improvisieren habe den Vorteil, dass sie nicht so tun müsse, als wisse sie nicht, wer der Täter ist. „Ich weiß es wirklich nicht.“ Das wirke sich auch auf die Art des Fragens aus.

Der Film hat noch eine positive Seite: Odenthal und ihre Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) begraben ihr Kriegsbeil, Odenthal bietet der anderen sogar das Du an – mit gewissen Ausnahmen: „Im Job machen wir das natürlich nicht!“ Wie die beiden damit klarkommen, wird man möglicherweise in einem weiteren Ludwigshafener Ranisch-„Tatort“ mit dem Titel „Waldlust“ (2018) sehen können.