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Theater Das Leben ist ein Aufleuchten im Dunkel

In einer deutschsprachigen Erstaufführung inszeniert Vlad Troitsky „Das Mädchen mit den Streichhölzern“ am Theater Magdeburg.

Von Claudia Klupsch 12.03.2017, 04:00

Magdeburg l Mit der deutsch- sprachigen Erstaufführung von Wladimir Klims „Das Mädchen mit den Streichhölzern“ erlebte das Publikum im Magdeburger Schauspielhaus am Donnerstag ein bemerkenswert merkwürdiges Theaterstück. „Schwarz ist das Leben“, heißt es im Text. Schwarz ist die Bühne, sie ist in völlige Dunkelheit getaucht.

Der gefeierte russische Autor Klim lässt in „Das Mädchen mit den Streichhölzern“ eine Frau Anfang 40 von ihrem Leben erzählen. Auf einem Stuhl sitzend, in ununterbrochenem Monolog denkt sie über Erinnerungen und Sehnsüchte nach, über den Wahnsinn des Alltags, sie philosophiert über Träume, Liebe und Tod. Vieles, was sie sagt, ist traurig, manchmal komisch, doch vor allem auf eigenartige Weise berührend. Die Worte können in starker Intensität wirken, da sie ungewöhnlich „in Szene“ gesetzt werden.

Dürfen sich in vielen modernen Inszenierungen Lichttechniker in spektakulären Effekten austoben und Videofilmer ihre Kunstwerke liefern, so haben beide Berufsgruppen in „Das Mädchen mit den Streichhölzern“ Pause. Regisseur Vlad Troitsky, international agierender ukrainischer Theatermacher, setzt ganz auf Klims Vorlage, die fehlendes künstliches Licht beinhaltet.

Nur zu Beginn lässt Troitsky den freien Blick auf die tiefe, schwarz gehaltene Bühne mit spärlicher Ausstattung aus Stuhl, Tisch und Aquarium zu.

Der Regisseur hat neben der exzellenten Textvorlage einen weiteren Trumpf: die starke Schauspielerin Susi Wirth. Sie hat er hervorragend in ihre Rolle gebracht. In den ersten Momenten der noch beleuchteten Aktionsfläche zeigt sie sich als Frau, die sich eher vorsichtig ihrem Publikum nähert, sich zunächst an die Wand drückt, dann ihren Platz findet.

Sie beginnt zu reden mit dieser besonderen Klangfarbe ihrer Stimme und in klarer konsonantenbetonter Aussprache. Sätze schlagen ein, wie „Dem Glücklichen schlägt keine Stunde“ und „Es geht nicht um das Schweigen, es geht um die Stille“. Ihre Erinnerung an die Zeit, als sie die kleine Prinzessin ihrer Eltern war, endet abrupt. Das Licht geht aus. Bühne, Zuschauerreihen im Dunkeln, duster, keine Ahnung mehr von Licht und Helligkeit, keine Schemen vom Nebenmann, nichts. So viel Schwärze drückt auf den Körper, verschüttet in der Dunkelheit, in beklemmender Düsternis. Von vorn, dort, wo noch eben die Frau zu sehen war, redet es weiter. Susi Wirths Stimme beherrscht den Raum, das Schauspiel liegt einzig in der Stimme.

„Das Leben ist ein Aufleuchten im Dunkel“ dringt ans Ohr. Die Zuhörer sind zurückgeworfen auf das Wort. Keine anderen Reize als Sätze und Finsternis. Es leuchtet auf im Dunkeln, Susi Wirth entzündet ein Streichholz und noch eines und noch eines, ist im flackernden kleinen Licht, in dieser kurzen eigenartigen Lichtstimmung zu erkennen. Verändert gegenüber der Frau in Helligkeit. Sie ist untergeschlüpft im Dunkel, geht in Deckung in ihrem Gram, vor Erinnerungen, vor Enttäuschungen, vor Entfremdung von Mann („er ist ein Fisch“) und Kindern.

Da ist diese Angst, in der Einsamkeit zurückzubleiben „wie das Mädchen in dem Märchen“, das ein Streichholz nach dem anderen anzündet und am nächsten Morgen tot ist. Der Text hat eine weitere Ebene. Die Frau im Dunkel ist eine Schauspielerin, die auch auf Beruf und Theater blickt und von „Quatsch mit den Streichhölzern“ und einem „schwachsinnigen Stück eines Irren“ redet. Solches Aufweichen nimmt dem Text die Schwere. Das Leben ist nicht nur Dunkelheit. „Theater kann alles sein außer langweilig“, sagt die Frau auf der Bühne. Alles außer langweilig ist „Das Mädchen mit den Streichhölzern“.