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Theater Das Phänomen des Despoten

Das Theater Magdeburg bringt Dostojewskis „Das Gut Stepantschikowo und seine Bewohner“ zur deutschsprachigen Erstaufführung.

Von Claudia Klupsch 19.03.2017, 23:01

Magdeburg l Dostojewski schildert im Roman eine haarsträubende Geschichte. Auf dem Gut Stepantschikowo in der russischen Provinz Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich der Nassauer Foma Fomitsch eingenistet. Er lässt sich nicht nur durchfüttern und bedienen, er will als Feingeist und Genie bewundert, gar gehuldigt werden, verlangt es, fordert es. Er tyrannisiert die Bewohner, demütigt die Bauern, macht den Hausherren nieder, kurzum: er ist ein fieser Despot. Weder feingeistig, noch genial, sondern einfach nur ein Ekel, ist dieser Mann dennoch der Star des Hauses. Verrückt.

Der russische Autor Wladimir Klim und sein ukrainischer Kollege, der Theatermacher Vlad Troitsky haben den Roman in eine Theaterfassung gebracht. Troitsky ist auch der Regisseur der Magdeburger Inszenierung, ebenso der Bühnen- und Kostümbildner. Das Gut Stepantschikowo lässt er als bizarre Welt erscheinen, die Bewohner sitzen auf fahrbar gemachten Stuhl- und Sesselkonstruktionen, schieben sich damit umher, selten, dass sie einander zugewandt miteinander reden. Die Bühne ist mit Asche bestreut, wie überhaupt Düsternis von der Bühne blendet. Dass etwas auf das Haus und seine Bewohner drückt, ist sichtbar, fühlbar. Hörbar ist die Missstimmung sowieso. Gesprochenes Wort wird zumeist durch das Traktieren von Zupf-, Schlag- und Tasteninstrumenten begleitet, was die Nervenseile der Zuhörer zusätzlich anspannt.

Für Zeugen des Schauspiels ist die Macht des Haustyrannen unbegreiflich. Warum, was ist mit ihm? Sein Gastgeber müsste sich des Despoten entledigen. Allein, es bleibt beim kläglichen Versuch. Burkhard Wolf, von körperlich starker Gestalt, muss ihn als schwachen, manipulierbaren, von Minderwertigkeitskomplexen gepeinigten Menschen zeigen. Doch warum er so mit sich umgehen lässt, beantwortet die Zeichnung der Figur nicht. Besagtes Scheusal Foma Fomitsch hat Troitsky in unschuldiges Weiß gekleidet, er lässt Schauspieler Zlatko Maltar an einen Prediger erinnern. Ist Dostojewskis Schilderung der Foma-Figur herausragend, so bleibt im Stück nebulös, was es mit diesem Kerl auf sich hat. Er macht kleine Tänzer leise und mies nieder und brüllt am Ende, sich über alle erhöhend, ohrenbetäubend von seinem „Kampf“. Schafft es sein solcher Langweiler wirklich, sich in hohe Machtpositionen, „ins Licht“ zu hieven und verblendete Anhänger um sich zu scharen? Natürlich. Es braucht nicht viel, die Anspielung auf aktuelle Despoten des Weltgeschehens zu finden, zumal Troitsky mit Symbolfahnen zaunpfahlgleich winken lässt.

Das Stück hat seine Längen, auch ausführliche Dialoge klären die Fragen nicht. Das elfköpfige Ensemble spielt tapfer durch. Michaela Wintersteins Rolle als hysterisch-dumme Mutter hätte eine größere Überzeichnung gutgetan, ebenso die ihrer Busenfreundin Tatjana Iwanowna, die Pia-Micaela Barucki mit einigen komischen Tönen versehen darf. Thomas Schneider gibt einen auffällig guten Auftritt als Gawrila. Amadeus Köhli leitet die fröhliche Tanzszene ein, die das Gemüt des Zuschauers kurzfristig erfreut. Welche Wohltat in all der Spaßbremserei durch eine einzige Person. Köhli und Jenny Langner als Tochter des Hausherrn dürfen aufwühlende Ausraster spielen.

Das Stück lässt über das Phänomen des Despoten nachdenken, über Mechanismen von Macht und Manipulation, über die Sehnsucht vieler, sich in gefühlter Schwäche vom vermeintlich Starken führen zu lassen. In der Inszenierung bleibt letztlich zu vieles unverständlich. Schwer deutbare Bilder mit Schleiern und ein doch nicht toter Hausherr erschließen sich nicht. Das macht das Stück anstrengend und zuweilen ermüdend. Dabei hat Dostojewski doch eine wunderbare Komödie geschrieben, die auf der Bühne als Groteske funktionieren könnte. Tut sie hier aber nicht.

Weitere Vorstellungen gibt es am 25. März, am 22. April sowie am 5. Mai jeweils um 19.30 Uhr, Schauspielhaus/Bühne