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Der Luthereffekt Wie der Protestantismus in die Welt ging

Mehr als 800 Millionen Menschen sehen sich weltweit als Protestanten. Eine Ausstellung in Berlin zeigt, wie sich der Gedanke der Reformation global ausbreitete.

Von Esteban Engel, dpa 11.04.2017, 16:35

Berlin (dpa) - Von Wittenberg in Deutschland bis in die Urwälder von Tansania: Wohl kaum eine Idee, kaum ein Glaube verbreitete sich so schnell und so gründlich wie der Protestantismus.

Mit seinen Thesen gegen den Ablasshandel in der katholischen Kirche gab Reformator Martin Luther (1483-1546) vor 500 Jahren die Initialzündung für eine Bewegung, die getragen wurde von Geistlichen und Verfolgten, von Soldaten und Kolonisatoren, und bis in die entferntesten Winkel der Erde drang. Rund 800 Millionen Menschen nennen sich heute Protestanten.

Zum Reformationsjubiläum zeichnet das Deutsche Historische Museum (DHM) in einer Ausstellung in Berlin die Ausbreitung des Protestantismus im globalen Maßstab nach. "Der Luthereffekt" - unter diesem Titel dokumentiert die Schau (bis 5. November) im Gropius-Bau die Entstehung evangelischer Glaubensgemeinden in Deutschland und ihre globale Entwicklung in Europa, Afrika, Asien und Nordamerika.

Mit teils in Deutschland noch nie gezeigten Objekten werden auf rund 3000 Quadratmetern auch die lokalen Ausprägungen evangelischer Glaubensformen dargestellt - an den Beispielen Schweden, USA, Korea und Tansania. Eine Karte der Herrnhuter Brüdergemeinde von der Zeit um 1770 zeigt etwa die Niederlassungen der Gemeinschaft auf der Nordhalbkugel.

Liturgische Objekte, Bibelausgaben, Gebetsbücher und Gemälde berichten von den konfliktreichen Beziehungen zwischen Protestanten und Katholiken sowie der innerprotestantischen Ausdifferenzierung etwa zwischen Lutheranern, Calvinisten und Anglikanern. Vor allem in Europa führte die von Luther mit seinen Thesen ausgelöste Kirchenspaltung zu Religionskriegen und Jahrhunderte langen Fehden.

Beschleunigt wurde die Bewegung wohl auch vom Buchdruck. Das gedruckte Wort trug den Reformationsgedanken in die Welt, lange Abhandlungen und Flugschriften befeuerten den theologischen Disput.

Am Beispiel Schwedens behandelt die Ausstellung auch gesellschaftliche Fragen und die Beziehungen des Protestantismus zur Macht. Der vom Protestantismus ausgelöste Mentalitätswandel breitete sich auf alle Lebensbereiche aus.

In den USA prägten die evangelischen Gemeinden bis zur Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts entscheidend das politische Leben mit. Die Schau zeigt, wie sich im Bundesstaat Pennsylvania die religiöse Vielfalt verwurzelte und Auswanderer ihre eigene religiöse Identität bewahren konnten. Die Anpassung des Glaubens an regionale Bedingungen, etwa an den Islam in Tansania, wird mit Fotos, Videoaufnahmen und Skulpturen dokumentiert.

Im Lichthof des Gropius-Baus hat der Künstler Hans Peter Kuhn ein gigantisches Kunstwerk aus Aluminiumrohren geschaffen. "Übergang" nennt sich die Installation, die an die DNA-Doppelhelix erinnert und die Spaltung der Kirche und den Wandel im Verhältnis von Mensch und Gott symbolisch darstellt.

Ausstellung

«Der Tempel zu Lyon» von Jean Perrissin (l.) in der Ausstellung des Deutschen Historischen Museums. Foto: Bernd von Jutrczenka
«Der Tempel zu Lyon» von Jean Perrissin (l.) in der Ausstellung des Deutschen Historischen Museums. Foto: Bernd von Jutrczenka
dpa