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"Intellektuelle Brillanz" Adam Szymczyk: vom großen Schweiger zum Welten-Erklärer

Er versteht sich als Teamplayer und glaubt an die politische Kraft der Kunst: Der Pole Adam Szymczyk ist für die documenta 14 verantwortlich. Als es am Mittwoch endlich losging, wirkte er erleichtert.

Von Sandra Trauner, dpa 07.06.2017, 15:38

Kassel (dpa) - Vor fünf Jahren war Adam Szymczyk ein weitgehend unbekannter Kurator mit polnischem Pass und einem Job in der Schweiz. Dann wurde er zum künstlerischen Leiter der documenta gewählt, dem vielleicht einflussreichsten Job der Kunstwelt.

Seither steht der eher introvertierte Mann mit der Strubbel-Frisur im Rampenlicht - wo er sich augenscheinlich nicht sehr wohl fühlt. 

Am Mittwoch, am Ende der mit Spannung erwarteten Eröffnungs-Pressekonferenz zur documenta 14 in Kassel, war ihm die Erleichterung anzumerken. Rund einem Dutzend Vorrednern ließ er den Vortritt. Als er nach zweieinhalb Stunden endlich das Wort ergriff, dankte er fast zehn Minuten lang seinen Mitarbeitern. Szymczyk wirkte, als sei eine Last von ihm abgefallen: Endlich geht es los und die Kunst darf für sich sprechen. 

"Die Kunst ist seine Sprache", sagt Museumsdirektorin Susanne Gaensheimer über den Mann, dem die Medien den Spitznamen "Die Sphinx" verpasst haben. Sie war Mitglied der Jury, die Szymczyk 2013 zum documenta-Leiter wählte. Das Konzept, mit dem er sich gegen fünf Konkurrenten durchsetzte, war kühn: Er wollte die documenta gleichberechtigt auch in Athen veranstalten. "Die Welt kann nicht ausschließlich von Kassel aus erklärt, kommentiert und erzählt werden", schrieb er im "Reader" zur documenta.

Szymczyk wurde 1970 in Polen geboren. Er studierte Kunstgeschichte in Warschau. In den 1990er Jahren absolvierte er eine Kuratoren-Ausbildung in Amsterdam. 2003 wurde er Direktor der Kunsthalle Basel. 2008 ko-kuratierte er die "Berlin Biennale". Nachdem er zum künstlerischen Leiter der documenta ernannt worden war, listete ihn das britische Magazin "ArtReview" auf Platz zwei der einflussreichsten Personen in der Kunstwelt.

Schweizer Weggefährten attestierten ihm "eine unbestechliche intellektuelle Brillanz", beschrieben ihn aber auch als "scheu und wenig zugänglich". "Seine Ausstellungen waren immer eine Herausforderung, auch für Kunstgewohnte." Szymczyk habe "ein intellektuelles Programm" gemacht, "weg von der Malerei, hin zu Leere, zu Reduktion, zu installativen Arbeiten, zu Interventionen". 

Dieser Linie blieb er auch in Athen und Kassel treu. Es gibt so viele Performances zu sehen wie nie zuvor, darunter auch Arbeiten seiner Lebensgefährtin Alexandra Bachzetsis, die als Tochter eines Griechen in der Schweiz geboren wurde. In Athen war er sogar selbst Teil einer Performance, bei der die Künstler und Organsisatoren der documenta gemeinsam stöhnten, gurgelten und kreischten. 

Szymczyk ist ein durch und durch politischer Kurator, der etwas sagen will zur Lage der Welt. "Politik und Geld haben nicht die komplette Macht, um den Weg des Handelns bestimmen zu können", sagte er am Mittwoch in Kassel. Bis zu eine Million Gäste werden in beiden Städten erwartet. Szymczyk würde dann nicht nur mit dem Zwei-Städte-Konzept, sondern auch mit einem Besucherrekord in die documenta-Geschichte eingehen. 

documenta 14