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Besucherzahlen rückläufig Ist Louvre-Lens gescheitert?

Vor vier Jahren hat der Pariser Louvre im nordfranzösischen Lens mit viel Pomp seine Niederlassung eröffnet. Das Ziel: Die Region aufzuwerten. Heute sind die Erwartungen in weite Ferne gerückt.

Von Sabine Glaubitz, dpa 11.12.2016, 14:00

Lens (dpa) – Über 150 Millionen Euro hat die Architektur der Dependance des Pariser Louvre in Lens gekostet. Denn die Ausgaben sollten sich lohnen.

Mit der spektakulären Zweigstelle, die am 12. Dezember in der nordfranzösischen Stadt eröffnet wurde, verfolgten die Initiatoren hehre Ziele: Die Niederlassung des berühmten Mutterhauses in Paris sollte in der ehemaligen Bergwerksregion als Image-Polierer und wirtschaftliches Aufputschmittel dienen – so wie das Guggenheim-Museum im spanischen Bilbao. Vier Jahre nach der Eröffnung stellen die Ergebnisse das kulturelle Experiment infrage.

Der Start war mehr als vielversprechend: Statt der erhofften 750 000 Besucher waren im ersten Jahr mehr als 900 000 gekommen. Doch der Effekt des Neuen ist verpufft. Im Jahr 2015 wurden nur noch 400 000 Besucher registriert. Der Louvre-Lens muss sich etwas einfallen lassen, reagierte Daniel Percheron vor wenigen Monaten beunruhigt. Percheron war langjähriger Präsident der Region Nord-Pas-de-Calais und geistiger Vater des Projekts. "Wir verlassen die Ära der Klischees und treten in die wirtschaftliche Renaissance ein", erklärte Percheron bei der Eröffnung 2012 siegessicher an der Seite von Präsident François Hollande. Damals wollte er aus der ehemaligen Bergbaugegend noch eine Region der Museen machen.

Die Dauerausstellung in der "Galerie du Temps", der Galerie der Zeiten, zählt die meisten Besucher. Denn im Gegensatz zu den temporären Schauen ist der Eintritt in den 3000 Quadratmeter großen Open Space, in dem mehr als 200 Meisterwerke zwischen 3000 v. Chr. bis zum Jahr 1860 ausgestellt sind, kostenlos. Ein Faktor, der stark zum Erfolg im ersten Jahr beigetragen hat. Man sei sich dessen durchaus bewusst, dennoch sei das Ergebnis bemerkenswert, erklärte damals Xavier Dectot, der ehemalige Direktor des Louvre-Lens. Der freie Eintritt in die Zeiten-Galerie gilt noch bis Ende 2016. Ursprünglich sollte diese Maßnahme nur bis 2014 dauern.

Für den Wissenschaftler Jean-Michel Tobelem ist das kulturelle und museale Experiment auf dem ehemaligen Zechengelände der Stadt ein Misserfolg. Gründe dafür gibt es nach Meinung des Spezialisten für Museumsverwaltung genügend. Wesentliche Faktoren seien die geringe Attraktivität der Stadt und die mangelnde museale und pädagogische Innovationsfähigkeit, wie er der französischen Tageszeitung "Le Monde" sagte. Dem Museum sei es nicht gelungen, alle Volksschichten zu erreichen.

"Renaissance", "Das Europa von Rubens", "Charles le Brun, Maler des Sonnenkönigs" und "Die Geschichte beginnt in Mesopotamien" gehören zu den seit 2012 präsentierten Sonderausstellungen. Mit rund 150 000 Besuchern führt die Eröffnungswerkschau "Renaissance" die Erfolgsliste an. Der Hofmaler Charles le Brun, der 30 Jahre lang für König Ludwig XIV. malte, lockte nur noch etwas mehr als 40 000 an.

Zahlen, die Bände sprechen. Natürlich wäre es einfacher, Modigliani zu zeigen oder die Mona Lisa nach Lens zu bringen, erklärte Catherine Ferrar, die Generaldirektorin der nordfranzösischen Dependance. Doch das sei nicht die Bestimmung des Louvre. Das Pariser Museum ist für die Ausstellungen in dem 7000 Quadratmeter großen Glas- und Aluminiumbau verantwortlich. Seine Sammlungen decken mehr als 5000 Jahre ab, angefangen von den Zivilisationen der Antike bis hin zur Malerei des 19. Jahrhunderts.

Das Mutterhaus in Paris müsse sich an dem Defizit beteiligen, forderte der konservative Regionalpolitiker Jean-Pierre Bataille. Der Louvre-Lens wurde zu 60 Prozent von der Region getragen, den Rest teilten sich unter anderem der Europäische Fonds für regionale Entwicklung und die Stadt. Auch bei den laufenden Kosten von 15 Millionen Euro jährlich übernimmt sie mit 10 Millionen Euro den Hauptanteil.

Seit diesem September leitet Marie Lavandier den Louvre-Lens, die erste Zweigstelle des Pariser Louvre in Frankreich. Die 46-Jährige stand zuletzt an der Spitze der städtischen Museen von Nizza. Die Kunsthistorikern ist auf das 20. Jahrhundert spezialisiert. Ihr Ausstellungskonzept wird erst in mehreren Monaten zu entdecken sein. Bis dahin stehen noch die Werkschauen ihres Vorgängers auf dem Programm, darunter im Frühjahr "Die Brüder Le Nain", drei französische Maler aus dem 17. Jahrhundert. 

Homepage der Louvre-Dependance