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Italiens Kunstschätze von Dieben bedroht

Der spektakuläre Kunstraub von Verona zeigt: In Italien gibt es viel zu sehen - aber für Räuber auch viel zu holen. Die Sicherheitsvorkehrungen in Museen werden als unzureichend kritisiert.

Von Klaus Blume, dpa 24.11.2015, 12:16

Rom (dpa) - Italien ist stolz auf seine Kulturschätze. Die Zahl der Kirchen und Paläste, der denkmalgeschützten Ortskerne und der antiken Ruinenstätten zwischen Mailand und Messina ist unüberschaubar, und kein anderes Land hat so viele Unesco-Weltkulturerbestätten.

Italiens Museen sind mit den Werken all der großartigen Maler und Bildhauer, die das Land hervorgebracht hat, prall gefüllt. Als Supermacht der Kultur hat Ministerpräsident Matteo Renzi Italien bezeichnet.

Der dreiste Raub von 17 Gemälden aus dem Castelvecchio-Museum in Verona Ende voriger Woche zeigt aber auch, wie gefährdet diese Kulturschätze sind. Wieder einmal gibt es Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen. Die anscheinend bestens informierten Räuber nutzten ein Zeitfenster am Abend nach 19.30 Uhr, als die letzten Besucher die Säle verlassen hatten und der Großteil des Personals nach Hause gegangen war. Eine Kassiererin und ein Wachmann waren noch da - und die Alarmanlage noch nicht eingeschaltet.

Der Kunstberater Georg von Gumppenberg, bis Anfang 2015 Leiter Kunstversicherung der Allianz Versicherungs AG, kritisiert die unzureichende Ausstattung der Museen in Italien. Die Museen haben oft kein Geld für ausreichendes und gutes Personal. Gerade in Italien, wo es so viele Museen gibt, knapsen sie an jedem Euro herum. Man muss kein Prophet sein, Kunstdiebstahl wird immer wieder passieren, sagt er.

Die römische Zeitung Il Messaggero kritisierte auch gesetzliche Defizite. In Italien ein Meisterwerk zu rauben, ist wie einen Apfel zu stehlen, man riskiert sehr wenig, schrieb das Blatt nach dem Verona-Raub und erinnerte an eine ganze Reihe anderer Kunstdiebstähle: Zwei Gemälde van Goghs und eines von Cézanne, die 1998 aus der Nationalgalerie in Rom geraubt und nach 46 Tagen wiedergefunden wurden, der nie geklärte Raub eines Gustav-Klimt-Bildes aus einer Galerie in Piacenza 1997, oder Caravaggios Gemälde von der Geburt Christi, das schon 1969 in Palermo von der Mafia geraubt wurde. Es wurde nie wieder gesehen.

Die Strafen für Kunstdiebstahl und -schmuggel, so die Zeitung, seien in Italien immer noch viel zu niedrig. Über Reformen werde seit den 90er Jahren geredet, aber nichts geschehe. Gesetzesdefizite gebe es vor allem im Bereich der Raubgrabungen.

Denn nicht nur die mehr oder weniger gut bewachten Museen ziehen Kriminelle an. Oft buddeln diese auch auf eigene Faust im Erdreich, um die Schätze des Altertums zu heben. Besonders schlimm ist das in Süditalien, wo Mafia-Clans ihren finsteren Geschäften nachgehen. Teile Apuliens sind in eine wahre Mondlandschaft verwandelt, sagt ein deutscher Archäologe. Dort, am Hacken des italienischen Stiefels, würde vor allem nach griechischen Vasen gesucht.

Der italienischen Regierung ist klar, dass sie das kulturelle Erbe besser verwalten muss. Im Sommer leitete sie eine Museumsreform ein. Die Direktorenposten der 20 Topmuseen wurden nach internationaler Ausschreibung neu besetzt, 7 von ihnen mit Ausländern. Der Deutsche Eike Schmidt leitet jetzt die weltberühmten Uffizien in Florenz.

Kulturminister Dario Franceschini bezeichnete die Neustrukturierung im September als historischen Schritt, um den Rückstand aufzuholen, den die Museen im internationalen Vergleich in Sachen Management noch immer verzeichneten. Die Trägheit des italienischen Museensystems sei bekannt, und damit sei jetzt Schluss, versprach der Minister.

Der renommierte italienische Kunstkritiker und Kurator Francesco Bonami warnte in der Zeitung La Stampa vor den Folgen des Kunstraubs für die Identität des Landes: Auch die Leere, die die aus einer Kirche geraubte kleine Skulptur hinterlässt, ist eine Leere in unserem Gedächtnis. Das eigene künstlerische Erbe fortschaffen zu lassen, heißt, ein kulturelles Alzheimer voranschreiten zu lassen.