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Bewegte Geschichte Kostbarer Wandteppich kehrt zurück nach München

Einst hing der Wandteppich in der berühmten Lenbachvilla. Dann sollte er Hitler und seine Gäste erfreuen. Später entdeckte ein Mädchen in den USA darauf einen wunderschönen Märchenprinzen. Nun ist er wieder in München. Die bewegte Geschichte einer mittelalterlichen Tapisserie.

Von Cordula Dieckmann, dpa 16.12.2016, 15:44
Cathy Hinz, Tocher eines US-Offiziers, und der Gründer der «Monuments Men Foundation» Robert Edsel hinter einem Bildteppich. Foto: Sven Hoppe
Cathy Hinz, Tocher eines US-Offiziers, und der Gründer der «Monuments Men Foundation» Robert Edsel hinter einem Bildteppich. Foto: Sven Hoppe dpa

München (dpa/lby) - Als Cathy Hinz ein Kind war, war der Wandteppich in ihrem Elternhaus im US-amerikanischen Minneapolis wie ein Bilderbuch voller Geheimnisse und Märchen. Im Traum war sie die Prinzessin im blauen Kleid.

Neben ihr knieend "Prince Charming", ihr Märchenprinz. Hinz' Vater hatte das Stück mit der Szene einer höfischen Gesellschaft 1945 mit nach Hause gebracht - als Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg, in dem er als Offizier mithalf, Deutschland von den Nazis zu befreien. Der Teppich hat eine bewegte Geschichte, hing er doch ab 1938 im Kehlsteinhaus bei Berchtesgaden, das die Nationalsozialisten Adolf Hitler zum 50. Geburtstag geschenkt hatten.

Am Freitag gab Hinz den kostbaren Teppich in München an den Freistaat Bayern zurück, dem er von Rechts wegen gehört.

Die Tapisserie wurde um 1500 in Flandern aus Wolle gewirkt, darauf ein Flötenspieler, ein knieender Mann und zwei Frauen in prächtigen Kleidern, vielleicht mit Noten in den Händen. Weiter hinten Männer bei der Jagd. Wer das Werk in Auftrag gegeben hat? Man weiß es nicht. Doch adlige Familien liebten damals solche Teppiche und hängten sie zu besonderen Anlässen auf, sagt Johannes Pietsch. Er ist der Textilienfachmann des Bayerischen Nationalmuseums in München, wo der Teppich nun sein neues Zuhause hat.

Erst ab der Zeit um das Jahr 1900 ist seine Geschichte bekannt. Der Münchner Malerfürst Franz von Lenbach erwarb ihn in der Kunst- und Antiquitätenhandlung Bernheimer und schmückte damit seine berühmte Künstlervilla. 1931 kaufte die Firma die Tapisserie zurück, außerdem wurde das Werk in das Verzeichnis national wertvoller Kulturgüter aufgenommen.

Erst am 21. September 1938 kam ein guter Kunde und wollte die bunte Wirkarbeit haben. 24 000 Reichsmark blätterte der Architekt Heinrich Michaelis dafür hin. "Ein stolzer Preis", wie der Beauftragte für Provenienzforschung in Bayern, Alfred Grimm, erklärt. Dass Michaelis damit einen Nazibau ausstatten wollte, habe wohl niemand vermutet, glaubt der Kunsthändler Konrad Bernheimer, dessen Familie später von den Nationalsozialisten verfolgt und enteignet wurde und einige Jahre im Exil verbrachte. Nur wenige Wochen nach dem Teppichkauf wurden in der Pogromnacht am 9. November 1938 die Schaufenster der Firma eingeschlagen und Bernheimers Großvater Otto ins Konzentrationslager Dachau gebracht.

Unter die Masse der zwangsverkauften Kunstwerke fällt die Tapisserie aber nicht. Schließlich sei damals der volle Preis bezahlt worden, sagt Bernheimer, der deshalb keine Ansprüche geltend gemacht hat.

Nun freut sich also das Bayerische Nationalmuseum über das kostbare Stück, das erst einmal genau untersucht wird. Dass es dort gelandet ist, ist Robert M. Edsel und seiner Monuments Men Foundation zu danken, die die Herkunft des Teppichs recherchiert haben. "Es war damals für viele Soldaten kein ungewöhnlicher Gedanke, ein Souvenir mitzunehmen, um sich daran zu erinnern, dass sie überlebt hatten und viele ihrer Freunde nicht", erklärt Edsel. Nach Angaben der Foundation ist es nun das siebte Mal, dass ein von US-Soldaten mitgenommenes Kunstwerk durch Vermittlung der Monuments Men nach Deutschland zurückgebracht wurde.

Cathy Hinz ist froh, dass der Teppich in guten Händen ist. Das sei im Sinne ihres Vaters, ist sie sicher. "Er fühlte sich verpflichtet, darauf aufzupassen. Ich weiß, er wäre sehr stolz gewesen", sagt sie und streichelt immer wieder über die kostbare Arbeit, die ihre Mutter hin und wieder mit Nadel und Faden ausgebessert hat. Ihr Vater habe viel von seiner Zeit in Deutschland erzählt. "Er hat erkannt, dass sie damals Geschichte erlebten und schrieben. Er bat einen seiner Männer, für ihn ein kleines Erinnerungsstück zu finden. Er dachte an einen Löffel oder eine Tasse, aber es wurde ein Teppich."

Dass Hitler einst davor gestanden haben könnte - für Cathy als Kind nicht so wichtig, ganz im Gegensatz zum Märchenprinzen. Und so wird sie am Ende doch nostalgisch, weil ein Stück lieber Kindheitserinnerungen nun in München bleibt. "Er ist Teil meines Lebens", erklärt Hinz. Ihr größter Wunsch: Dass der Teppich irgendwann im Nationalmuseum hängen wird und vor allem viele Kinder vorbeikommen, die die Geschichten von der Prinzessin und ihrem Märchenprinzen weiterspinnnen.

Bayerisches Nationalmuseum

Monuments Men Foundation