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Ein Leben mit Max Ernst Kunstpapst Werner Spies wird 80

Kunsthistoriker, Museumsdirektor und Surrealismus-Experte: Werner Spies hat es ganz nach oben geschafft. Nur einmal wackelte der Thron des 80-Jährigen. Da ging es um Max-Ernst-Fälschungen.

Von Sabine Glaubitz, dpa 31.03.2017, 06:55

Paris (dpa) -  Werner Spies mit Joseph Beuys, Gerhard Richter, Anselm Kiefer, Christian Boltanski, Pablo Picasso und Max Ernst. Fotos, auf denen Spies mit den Stars der Klassischen Moderne und der Gegenwart posiert.

Vor allem zu Max Ernst verband ihn eine tiefe Freundschaft. Wie Spies in seiner Autobiografie "Mein Glück - Erinnerungen" schreibt, war der Surrealist für ihn die "Begegnung seines Lebens". Max Ernst hat die Karriere des deutschen Kunstpapstes, der an diesem Samstag (1. April) 80 Jahre alt wird, nachhaltig geprägt - im positiven wie im negativen Sinn. 

Kaum ein anderer kannte und kennt so viele berühmte Persönlichkeiten wie er. Schon als Mittzwanziger konnte er in Paris Anfang der 60er Jahre Kulturschaffende wie die Autorin Nathalie Sarraute, den Schriftsteller Michel Leiris, den deutsch-französischen Galeristen Daniel-Henry Kahnweiler sowie Marcel Duchamp und Pablo Picasso zu seinen Bekannten und Freunden zählen.

Max Ernst lernte er erst 1966 kennen, vier Jahre, nachdem er sich in der französischen Hauptstadt niedergelassen hatte. Kahnweiler hatte davon abgeraten, den Maler und Bildhauer zu treffen. "Ich warne dich vor dem Surrealismus, vor allem aber warne ich dich vor Max Ernst", zitiert ihn Spies in seinem Buch. Für Kahnweiler verkörperte Max Ernst die negative Seite der deutschen Kunst, das Exzessive und Entfesselte. Diese Verzögerung bedauert Spies noch heute. Zum Experten über Max Ernst und die Surrealisten ist er trotzdem geworden.

Spies hat zur Wiederentdeckung von Max Ernst und der Surrealisten beigetragen, von denen viele vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vor dem Faschismus nach Amerika geflohen waren. Er widmete ihnen Ausstellungen und Monografien, machte sie einem breiten Publikum bekannt.

Epochemachend war seine Werkschau "Paris-Berlin" im Jahr 1978 im Pariser Centre Pompidou. Er präsentierte den deutschen Expressionismus und öffnete den Franzosen eine neue, historisch vorurteilsfreie Sichtweise auf die direkte und farbkräftige Malerei, die Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden ist. Spies wurde zum Kunstvermittler zwischen Deutschland und Frankreich.

Die Krönung seines Engagements fand im Jahr 1997 mit der Ernennung zum Direktor des Museums für moderne Kunst im Centre Pompidou statt. Ein Deutscher an der Spitze des Kunsttempels - das Medienecho war links und rechts des Rheins enorm.

Normale Maßstäbe greifen bei Spies' Lebenslauf nicht. Zwischen 1975 und 2002 hatte er den Lehrstuhl für Kunst des 20. Jahrhunderts an der Kunstakademie in Düsseldorf inne. Bis zum Juni 2012 war er Vorsitzender des Stiftungsrates und des Kuratoriums der Stiftung Max Ernst in Bühl. Im Jahr 2005 wurden seine bedeutendsten Aufsätze veröffentlicht, die zwischen 1998 und 2004 in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschienen sind, für die Spies seit mehr als vierzig Jahren Kritiken und Essays schreibt. Und 2008 erschienen seine gesammelten Schriften - in zehn Bänden.

Er wollte zeigen, wozu er fähig ist, erklärte Spies in einem Interview seine Karriere. Denn als Kind fühlte er sich nicht akzeptiert. "Ich hatte das frühe Gefühl, irgendwie nicht dazuzugehören, etwas zu versäumen, ausgeschlossen zu sein", gesteht er in seiner 2012 erschienenen Autobiografie, in der er offen über seine Kindheit und Jugend erzählt. Darin erinnert er sich an Bombenangriffe, den Tod seiner Mutter, die Musikleidenschaft seines Vaters und den Hass seiner Stiefmutter ihm gegenüber.

Paris machte den Außenseiter zum Kunstpapst. Sein ganzes Leben habe ihn zum Glück geführt, schließt er seine Autobiografie. Bis auf eine Ausnahme: Spies fiel auf Fälschungen von Wolfgang Beltracchi herein. Er hatte als weltweit ausgewiesener Max-Ernst-Experte sieben vermeintliche Bilder des deutschen Surrealisten als authentisch erklärt. Sie wurden dank der Echtheit-Expertisen auf dem internationalen Kunstmarkt für Millionen verkauft. Der Prozess gegen Beltracchi ging als einer der größten Kunstfälscherprozesse in die Geschichte Deutschlands ein.

Ein herber Ansehensverlust für Spies. Vor allem aber die öffentlichen Anschuldigungen in Folge seines Fehlers seien das schlimmste gewesen, erklärte er. Aber dieser Schlag könne das Glück seines Lebens nicht zerstören, wie er in seinem Buch schreibt. Es verleihe ihm das "Ach", ohne das kein Leben gelebt werden könne. Zu seinem 80. Geburtstag schenkte Spies dem Brühler Museum 51 Zeichnungen von Max Ernst.