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Ludwig Emil Grimm: Malerbruder der Märchensammler

Die Hanauer Familie Grimm gehört zu den berühmtesten Hessens. Jetzt ist ein opulenter Band zu den Erinnerungen von Ludwig Emil Grimm erschienen. Der Zeichner stand im Schatten seiner Märchen-Brüder. Vor allem seine Karikaturen haben noch Bestand.

Von Thomas Maier, dpa 09.02.2016, 07:01

Frankfurt/Main (dpa) - Das Hanauer Schloss Philippsruhe verwahrt in seinem Museum ein kleines Zeichenbuch eines 15-Jährigen aus dem Jahr 1805. Schon im Übungsheft von Ludwig Emil Grimm ist zu erkennen, dass der Spross der berühmten Familie versiert mit dem Zeichenstift umgehen kann.

Seinen Figuren verleiht er bereits damals gerne etwas Karikaturhaftes. Vier Jahre später darf Ludwig Emil seine Skizzenbücher Johann Wolfgang Goethe bei dessen Besuch in seiner Geburtsstadt Frankfurt zeigen.

Im Hause Grimm - der Vater war zuerst Stadtsekretär in Hanau und dann Amtmann im benachbarten Steinau an der Straße - wurden die Kinder im Zeichnen und Malen unterrichtet. Berühmt wurden die Brüder Jacob und Wilhelm aber mit ihren Märchensammlungen. Bruder Ludwig Emil (1790-1863) half nach seiner Ausbildung an der Münchner Kunstakademie später an seinem Wohnort Kassel auch bei der Illustration der Märchen mit.

Unsere Vorstellungen von der Hexe in Hänsel und Gretel oder Schneewittchen gehen auf ihn zurück. Ludwig Emil wurde aber auch als Porträtzeichner der akademischen Elite Deutschlands bekannt. Der gehörten damals seine beiden Brüder an, die als Sprachforscher von Kassel nach Göttingen und später nach Berlin gingen. Weniger geläufig ist, dass Ludwig Emil Grimm neben seiner künstlerischen Tätigkeit auch mit der Feder aktiv war. Jetzt hat die renommierte Andere Bibliothek seine Erinnerungen in einem opulenten Band veröffentlicht - zusammen mit vielen Zeichnungen und Radierungen des Künstlers.

In ihrer kommentierten Leseausgabe würdigen die beiden Herausgeber Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz Grimm als einen großen Mischkünstler der Romantik - als malenden Schreiber und schreibenden Maler. Die Erinnerungen von Ludwig Emil Grimm - das Manuskript ist heute wie auch seine grafischen Blätter im Besitz der Stadt Kassel - waren nie zur Veröffentlichung gedacht. Heute ist es zweifellos ein zeithistorisches Dokument, in dem der Maler über seine Lebensstationen und Begegnungen mit Fürsten, Künstlern oder berühmten Schriftstellern berichtet.

Das liest sich streckenweise durchaus amüsant, ist aber auch keine große Literatur. Begeistern kann dagegen immer noch das bildnerische Werk Grimms - vor allem, wenn er darin den biedermeierlichen Geist der damaligen Zeit auf die Schippe nimmt. Auch die große Verehrung für seine beiden Brüder sieht er mit durchaus mit ironischem Blick.

In der Zeichnung Auszug von Kassel nach Göttingen - seine Brüder werden dort Professoren - hat Ludwig Emil Grimm eine großartige Persiflage auf den bildungsbürgerlichem Pomp abgeliefert. Sei einfach wie sie, lässt er die im Sonntagsstaat aufgeputzte Menge den Grimms zurufen. Darüber fliegen die Gänse und schreien Keiner lockt mich von euch.

- Heiner Boehncke/Hans Sarkowicz (Hg.), Ludwig Emil Grimm. Lebenserinnerungen des Malerbruders, Die Andere Bibliothek, Berlin 2015, 576 Seiten, 79,00 Euro, ISBN 9783847700166