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Landgericht Stendal Wende im Prozess um falschen Offenbarungseid

Ein Gericht stellte das Verfahren gegen eine Stendalerin ein, die bei der eidesstaatlichen Versicherung falsche Angaben gemacht hatte.

Von Wolfgang Biermann 06.01.2017, 08:58

Stendal l „Es ist doch seltsam, welche Wendung manche Prozesse kurz vor dem Ende doch nehmen.“ Mit diesen Worten stellte der Vorsitzende der Berufungskammer am Landgericht Stendal, Richter Gundolf Rüge, in seiner letzten Verhandlung vor dem Jahreswechsel das Verfahren gegen eine der falschen eidesstattlichen Versicherung angeklagten Rentnerin wegen „Geringfügigkeit der Schuld“ ein. Damit bleibt die 67-Jährige rechtlich weiterhin unbescholten.

Zuvor hatte Rüge fast eine halbe Stunde lang ergebnislos versucht, sie zur Rücknahme ihrer Berufung gegen ein Urteil des Stendaler Amtsgerichts zu bewegen. Der Amtsrichter hatte sie im Februar 2016 zu einer Geldstrafe in Höhe von 400 Euro verurteilt. Die als insolvent geltende, aber bis dato nicht vorbestrafte Seniorin ist alleinige Gesellschafterin einer Unternehmergesellschaft und Geschäftsführerin einer Model- und Event-Agentur, die überwiegend in Altersheimen aktiv ist. Nach Angabe der Angeklagten fährt das Geschäft nur Verluste ein. Die klamme Seniorin, die offenbar mit ihrer recht kleinen Rente nicht auskommt, befindet sich seit Jahren in der Zwangsvollstreckung. Zum wiederholten Mal musste sie daher eidesstattlich versichern, dass sich daran nichts geändert hat. In einem sogenannten Vermögensverzeichnis musste sie im Januar 2015 gegenüber einer Gerichtsvollzieherin genaue Angaben zu Vermögen, Konten und Einkommen machen.

Auf dem dazu gehörigen Formular soll sie gemäß Amtsgericht „wider besseres Wissen“ ein Kreuz falsch gesetzt haben. Dass die von ihr betriebene Agentur ein „Erwerbsgeschäft“ ist, habe sie verneint, was laut Amtsgerichtsurteil und Richter Rüge aber falsch ist, da sie ja als Geschäftsführerin Gehalt aus dieser Firma bezieht.

An selber Stelle hatte sie zwei Jahre zuvor indes das Kreuz bei „Ja“ gemacht. Sie sei nicht rechtskundig und hätte es nicht wissentlich gemacht, beteuerte die Angeklagte. Das sei eine reine Schutzbehauptung, hatte das Amtsgericht im erstinstanzlichen Urteil gewertet. Die Angeklagte sei, so hieß es weiter darin, „überdurchschnittlich intelligent“. Die Wende zugunsten der Rentnerin brachte im Berufungsprozess die Aussage der Gerichtsvollzieherin, bei der die Angeklagte die Angaben im Formular gemacht hatte. Dabei trat laut Richter Rüge zutage, dass die Gerichtsvollzieherin „offensichtlich selbst die Rechtslage und die Formulare nicht eindeutig kennt“.

Richter Rüges Fazit: „Das Verständnisproblem darf man der Angeklagten nicht anlasten.“ Er schlug der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten darum die Verfahrenseinstellung zu Lasten der Staatskasse vor.