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Christoph Weiherer Aus Protest: 25541 Brunsbüttel

Der bayerische Kabarettist und Liedermacher Christoph Weiherer kämpft gegen die Datensammelwut des Einzelhandels. Seine Waffe: 25541 Brunsbüttel.

Von Britta Schultejans, dpa 25.11.2016, 07:41
Christoph Weiherer lehnt sich gegen die Datensammelwut auf. Foto: Andreas Gebert
Christoph Weiherer lehnt sich gegen die Datensammelwut auf. Foto: Andreas Gebert dpa

München/Brunsbüttel (dpa) - "Ihre Postleitzahl?" Wenn Christoph Weiherer beim Einkaufen an der Kasse mit dieser Frage konfrontiert wird, dann lautet seine Antwort darauf seit Jahren: 25541 Brunsbüttel.

Dabei ist Weiherer Bayer und lebt mehr als 800 Kilometer von der Kleinstadt in Schleswig-Holstein mit knapp 13 000 Einwohnern entfernt. 25541 ist eine klare Lüge - und seine Waffe im Kampf gegen die Datensammelwut des Einzelhandels.

"Die Idee ist in der Dusche entstanden", sagt der Komiker und Liedermacher im Interview der Deutschen Presse-Agentur in München. "Das war einfach Zufall." Es habe ihn schon lange gestört, wenn er an der Kasse nach seiner Postleitzahl gefragt werde. Und dann habe er - vermutlich, so genau weiß er das nicht mehr - im Radio etwas über das Atomkraftwerk Brunsbüttel gehört. Irgendwie so entstand die Idee.

"Mich stört die komplette Datensammelwut", sagt Weiherer. "Man ist ja eh sehr überwacht, aber ich mag möglichst wenig Daten preisgeben. Ich mag einfach ins Geschäft gehen, einkaufen, zahlen und meine Ruhe haben." Darum ruft er bei seinem Bühnenprogramm regelmäßig dazu auf, die Postleitzahl von Brunsbüttel anzugeben. Eine große Revolution sei das natürlich nicht, sagt er. "Aber ich stelle mir das gerne bildlich vor, wie die Unternehmen die Daten auswerten und feststellen, dass sie nur noch Kunden aus Brunsbüttel haben."

In der kleinen Stadt am von ihm aus betrachtet anderen Ende der Republik ist er darum inzwischen so etwas wie eine Berühmtheit. Er hat auch schon mit Bürgermeister Stefan Mohrdieck telefoniert. "Die freuen sich total, dass sie mal mit was anderem in die Schlagzeilen kommen als mit dem Atomkraftwerk oder dem Nord-Ostsee-Kanal."

Zwei Auftritte dort im Januar 2017 waren in wenigen Stunden ausverkauft. "Ich möchte die Ehrenbürgerschaft! Die ist mir bislang verweigert geblieben." Bürgermeister Mohrdieck reagiert im Radiosender NDR 1 auf Weiherers Aktion und scherzt: "Für uns ist es unerträglich, wenn die ganze Werbung hier nach Brunsbüttel kommt."

Auch über die Stadtgrenzen Brunsbüttels und die Landesgrenzen Bayerns hinaus kennt man Weiherer inzwischen. Ein Video auf seiner Facebook-Seite, in dem er sein Anliegen kundtut, hat schon mehr als 2,6 Millionen Aufrufe. "Ich kriege Kassenzettel von Leuten, als Beweis, dass sie Brunsbüttel angegeben haben." Wie viele seiner Idee inzwischen folgen, weiß er nicht. "Ich habe auch noch keine Beschwerden vom Handel gekriegt", sagt er und lacht.

"Wir wollen mit der Postleitzahl herausfinden, wo unsere Kunden herkommen", sagt eine Sprecherin der Elektronik-Ketten Media Markt und Saturn. Die Beobachtungen könnten dann auch die Grundlage für mögliche Expansionsentscheidungen legen. Wenn besonders viele Leute aus einem entfernteren Postleitzahlengebiet das Geschäft aufsuchen, wird es aus Sicht des Unternehmens unter Umständen Zeit, dort einen neuen Laden aufzumachen. Die Sprecherin betont, dass die Kunden nicht gezwungen sind, ihre Postleitzahl anzugeben. Falsche Angaben, die untypisch erscheinen, könnten in der Analyse rausgefischt werden.

Wie viele Händler auf diesem Wege Marktforschung betreiben, weiß der Handelsverband Deutschland (HDE) nicht. "Klar wollen die Unternehmen damit Daten zum Einzugsgebiet sammeln", sagt der Handelsexperte Olaf Roik. "Im Zweifelsfall dient die Erhebung auch der Überprüfung von Werbemaßnahmen." Hat das Verteilen von Wurfsendungen in die Briefkästen bestimmter Gebiete Früchte getragen oder nicht? 

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht in Ansbach sieht überhaupt keine Schwierigkeiten darin, wenn Unternehmen die Postleitzahlen ihrer Kunden abfragen. "Das ist ja eine freiwillige Auskunft, und die Angabe der Postleitzahl beschreibt ja so einen groben Bereich, dass man da nicht von personenbezogenen Daten sprechen kann", sagt Manfred Ilgenfritz, Referatsleiter für Werbung und Kundenbindung am Landesamt. "Und außerdem kann ja jeder Kunde angeben, was er will." Zum Beispiel 25541 Brunsbüttel.

Website Christoph Weiherer

Facebook-Seite von Christoph Weiherer