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Fast wie Bella Italia Der kleine Urlaub in der Eisdiele

Espresso und Zitroneneis: Italienische Eisdielen gibt es fast überall. Vor mehr als 100 Jahren kamen im Sommer die ersten Eismacher aus den Dolomiten ins Rheinland. Die Wanderarbeiter brachten mit dem Eis den Süden mit.

Von Ulrike Hofsähs, dpa 23.06.2017, 12:47
Schild für das eis cafe Venezia aus sden 60er jahren im Clemens-Sels-Museum in Neuss. Foto: Federico Gambarini
Schild für das eis cafe Venezia aus sden 60er jahren im Clemens-Sels-Museum in Neuss. Foto: Federico Gambarini dpa

Neuss (dpa) - Kalte Süßigkeiten mit Geschmack von Erdbeere, Stracciatella oder Zitrone: Der Traum von Süden ist in den italienischen Eisdielen zu Hause. Die Cafés mit Bildern von Bella Italia an den Wänden und einer üppigen Eisauswahl an der Theke gehören zum Sommer.

Und zwar teils schon seit mehr als 100 Jahren. Solange schon versüßen italienische Eismacher in deutschen Städten die Sommermonate.

Das Clemens Sels Museum in Neuss hat sich auf ihre Spuren begeben. Die bunte Ausstellung "Gelato!", die vom 25. Juni bis zum 17. September dauert, zeigt 270 Exponate: Stühle mit Chrombeinen, vergilbte Fotos, eine Eistheke im Stil der 60er Jahre, die sonnengelbe Leuchtreklame für ein Café "Venezia" und eine Fülle von Utensilien zur Herstellung füllen die Schau. Ausstellungsmacher Carl Pause stellt Eisköche am Niederrhein zwischen Kleve und Köln vor.

Schon Ende des 19. Jahrhunderts tauchten die ersten Eismacher aus Italien im Rheinland auf. Sie zogen mit Karren durch die Straßen der großen Städte und verkauften für wenig Geld die selbst fabrizierte Schleckerei. Die Männer stammten fast alle aus den Dolomiten, die seinerzeit eine der ärmsten Regionen Europas waren. Der Verkauf von Speiseeis war eine der ungewöhnlichen Strategien dieser Wanderarbeiter. Ein Verkaufsstand auf einem Fahrrad von 1930 zeigt, dass damals "Gelati Dolomiti" schon ein Begriff geworden waren.

Dabei waren die Eismacher sehr mobil. Mitglieder der weitläufigen Familie Fontanella etwa führten oder führen noch Eisdielen unter anderem in Osnabrück, Warendorf, Krefeld, Köln, Troisdorf, Limburg an der Lahn, Frankfurt, Saarbrücken und Passau.

Auch wenn Eismacher teils in der vierten Generation hierzulande arbeiten, haben sie ihre italienische Identität bewahrt: "Die meisten von ihnen verbringen noch immer die Zeit außerhalb der Eissaison in den Dolomiten", berichtet Ausstellungskurator Pause.

Der Boom kam mit den 50er Jahren: Die Jugend traf sich beim Italiener, die Urlaubssehnsucht trieb die Leute in die Eisdiele. Die Frau des Eismachers Dario Oliviers etwa beschreibt im Katalog die Kundschaft: "Morgens kamen Mütter mit Kindern, in der Mittagspause im Sommer die Berufstätigen, nachmittags die Senioren und gegen Abend die Jugendlichen zum Knutschen." Passenderweise verhinderten oft Gardinen am Schaufenster neugierige Blicke. Die Einrichtung war viel moderner als damals in den Kneipen.

Da in der Ausstellung leider kein Eis verkauft werden kann, können Besucher aber Geruchsproben der Sorten schnuppern. Eine schwäbische Spätzlepresse beantwortet die Frage, was es mit dem berühmten Spaghetti-Eis auf sich hat. "Das gibt es nur in Deutschland", sagt Pause. Die hübsche Komposition wird seit den 60er Jahren geschleckt - wer der Erfinder war, steht nicht fest.

Jeden Sommer die Frage: Ist das Eis teurer geworden? Im Schnitt sei der Preis für eine Kugel aus handwerklich hergestelltem italienischen Eis in den letzten Jahren ziemlich stabil geblieben, versichert die Herstellervereinigung. Der Preis liege je nach Lage des Cafés zwischen 0,60 und 1,70 Euro. Aber mit den Jahren wurden die Kugeln immer dicker - sie wiegen nicht mehr 25 Gramm wie früher, sondern bis zu 100 und mehr. Eis des Jahres 2017 ist für die italienischen Hersteller ein laktosefreies Schokoladensorbet.

Ausstellung Gelato!

Eiscafè Sagui über "andere Heimat"