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Die Promi-Geburtstage vom 08. Oktober 2015: Hans Joachim Schädlich

06.10.2015, 23:01

Berlin (dpa) - Seine Bücher sind keine Bestseller, sein Name ist einem breiten Publikum unbekannt. Trotzdem gilt Hans Joachim Schädlich als einer der wichtigsten Schriftsteller der deutschen Nachkriegszeit - ein genauer Chronist der Zeitgeschichte, ein politischer Aufklärer ohne erhobenen Zeigefinger. Mancher Kritiker nennt ihn in einem Atemzug mit Günter Grass und Martin Walser. 

Am Donnerstag (8. Oktober) wird der gebürtige Vogtländer in Berlin 80 Jahre alt. Und findet es nach seinen bitteren Erfahrungen mit dem DDR-Unrechtsregime tröstlich, dass der Termin so nah mit dem Jubiläum zur Deutschen Einheit zusammenfällt. Ich bin froh, dass dieser Staat nicht mehr existiert. Erst in der Bundesrepublik bin ich ein wirklich freier Schriftsteller geworden, sagt er in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. 

Schon sein erster Roman Tallhover (1986) wurde zu einem Klassiker deutsch-deutscher Literatur. Es geht um einen Spitzel, der quer durch die Systeme, von König und Kaiser über die Nazis bis zu den Kommunisten, immer Spitzel bleibt. Günter Grass borgte sich die Figur später für seinen kontrovers diskutierten Politroman Ein weites Feld (1995). 

1992 holt das Thema Schädlich nochmals sehr direkt ein: Er erfährt aus den Stasi-Akten, dass sein älterer Bruder - der Historiker Karlheinz Schädlich - ihn, Grass und Freunde aus der Ost-Berliner Literaturszene als IM Schäfer bespitzelt hat. Einmal spricht er mit dem Bruder darüber - und sieht ihn dann nie wieder. 2007 erschießt er sich auf einer Parkbank im Prenzlauer Berg.

Damit kann man nicht abschließen, das bleibt eine schmerzliche Erfahrung, sagt Schädlich. Er selbst schrieb darüber noch 1992 den Text Die Sache mit B.. Seine Tochter Susanne, ebenfalls Schriftstellerin, ging dem Thema in einem vielgelobten Buch tiefer nach: Immer wieder Dezember. Der Westen, die Stasi, der Onkel und ich (2009). Sie hat die Sache für mich bearbeitet. Ich hätte das nicht gekonnt, sagt der Vater.

1935 in Reichenbach im Vogtland geboren, hatte Schädlich nach seiner Promotion von 1959 bis 1976 als Sprachwissenschaftler an der Akademie der Wissenschaften in Ost-Berlin gearbeitet. Seine literarischen Texte über den Alltag in der DDR fanden keinen Verlag, weil sie den Lektoren politisch zu brisant erschienen.

Als Schädlich 1976 den Protest gegen die Zwangsausbürgerung Wolf Biermanns unterschreibt, wird er gefeuert und von der Stasi schikaniert. Erst Ende 1977 kann er in den Westen ausreisen. Wenige Monate zuvor ist dort sein Erzähldebüt Versuchte Nähe erschienen - von der Kritik als Sensationserfolg aufgenommen. Später folgen weitere wichtige Werke wie die Romane Schott (1992), Anders (2003) und Kokoschkins Reise (2010), die Novelle Sire, ich eile (2012) sowie zuletzt Narrenleben (2015).

Bestechend ist der klare Blick, den Schädlich auf seine Figuren hat, und die schnörkellose, lakonische Sprache. Es war schon immer ein Prinzip meiner Schreibarbeit, mich so karg wie möglich auszudrücken, weil das für mich ein Angebot an die Leser ist, sich selbst gedanklich in die Leerstellen zu begeben, sagte er einmal.

Dass er dabei als politischer Autor gilt, hält er fast für ein Missverständnis. Eigentlich wolle er nur erzählen. Sein funkelndes, reiches Lebenswerk ist ein nicht zu ersetzendes Gegengift gegen Dummheit, Übereilung und Schlamperei, befand die Jury 2014 bei der Vergabe des Berliner Literaturpreises.

Den Geburtstag will Schädlich mit seinen drei Kindern, drei Enkeln und seiner zweiten geschiedenen Frau feiern. Es ist nicht ganz einfach, 80 zu werden, weil sich natürlich der Gedanke einschleicht: Sehr viele Geburtstag hat man nicht mehr zu erwarten, gesteht er. Angst? Nein, eher ein Gefühl: Ich hab's geschafft. Ich bin eigentlich ein zufriedener Mensch.