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Ein Leben für den Tanz Promi-Geburtstag vom 24. Februar 2017: John Neumeier

Vom jüngsten zum dienstältesten Ballettdirektor: Seit mehr als 40 Jahren leitet John Neumeier das Hamburg Ballett, das er zu Weltruhm führte. Auch mit 78 Jahren denkt der Amerikaner nicht ans Aufhören.

Von Carola Große-Wilde, dpa 23.02.2017, 23:01

Hamburg (dpa) - Auch kurz vor seinem Geburtstag ist Ballettintendant John Neumeier rund um den Globus unterwegs gewesen: Gastspiel mit dem Hamburg Ballett in Florenz mit der "Dritten Sinfonie von Gustav Mahler", Einstudierung von "Le Pavillon d'Armide" und "Le Sacre" mit dem Wiener Staatsballett und anschließend eine Tournee durch seine Heimat USA.

Der einstige jüngste Ballett-Direktor Deutschlands und heute dienstälteste Ballett-Chef der Welt denkt auch mit 78 Jahren - in vielen Nachschlagewerken wurde das Geburtsdatum bisher mit 1942 angegeben, Neumeier hat es jetzt auf 1939 korrigiert - nicht ans Aufhören: "Obwohl einige Tage schwieriger sind als andere, erlebe ich meine Arbeit als überaus erfüllend", sagte Neumeier im dpa-Interview.

Seit 1973 leitet der gebürtige Amerikaner das Hamburg Ballett und führte es zu Weltruhm. Ob Neuinterpretationen von Klassikern wie "Romeo und Julia" und "Illusionen - wie Schwanensee", Biografien wie "Nijinsky" und "Tod in Venedig" oder geistliche Werke wie Bachs "Matthäus-Passion" und Mozarts "Requiem": Compagnien in aller Welt tanzen seine mehr als 150 Werke. "Auch wenn ich verschiedene Arten von Ballett geschaffen habe, ist dieses Hauptziel geblieben: Das, was ich spüre, so zu vermitteln, dass die Menschen berührt sind", sagte der zurückhaltend und sensibel wirkende Künstler, der sich selbst einmal als "kontrollierten Romantiker" bezeichnet hat.

Aufgewachsen ist der Kapitänssohn mit einer polnischen Mutter und einem deutschen Großvater in Milwaukee. Als vierjähriger Junge hatte er ein Schlüsselerlebnis, als ihn seine Mutter zu einem Musicalfilm mit ins Kino nahm: "Solange ich mich erinnern kann, wollte ich Tänzer werden. Als wir aus dem Kino nach Hause kamen, wollte ich die Tänze nachmachen. Immer habe ich getanzt", erinnert er sich in dem Buch "John Neumeier unterwegs". Seine Eltern konnten das zunächst nicht verstehen, doch er durfte Stepptanzunterricht nehmen. An der katholischen Universität von Milwaukee, wo er englische Literatur und Theaterpraxis studierte, traf er eine Persönlichkeit, die sein Leben tief prägen sollte: Father John Walsh, Lehrer des Jesuitenordens, der ihn in seinem Wunsch, Tänzer zu werden, bestärkte.

Ein erstes Engagement führt ihn 1960 zu Sybil Shearer, die seine Begeisterung für den Tänzer Waslaw Nijinsky (1889-1950) teilt. 1962 geht der junge Tänzer an die Royal Ballet School nach London und nimmt Ballettunterricht bei der russischen Tänzerin Vera Volkova in Kopenhagen. Nach seiner Rückkehr wird er von Marcia Haydée und Ray Barra entdeckt und nach Stuttgart engagiert, wo John Cranko die Ballettcompagnie der Staatsoper neu formiert. Er unterstützt ihn in seinem Wunsch, selbst zu choreografieren - mit 30 Jahren wird Neumeier in Frankfurt jüngster Ballettdirektor Deutschlands. August Everding, Intendant der Hamburger Staatsoper, der im Ballett einen Neuanfang wagen will, holt den jungen Amerikaner 1973 an die Elbe.

Sein Start in Hamburg beginnt mit einem Skandal. Neumeier hatte es gewagt, die Verträge von 16 Tänzern nicht zu verlängern, was auf lautstarken Protest stößt. Erst langsam erobert er die Herzen der Hanseaten, die erste Ballett-Werkstatt, eine Art öffentliches Training, habe das Eis gebrochen, erinnert sich der Ballettchef: "Als ich versuchte, emotional dem Publikum 'Klassische Technik in der modernen Choreografie' zu erklären, hatte ich auf einmal meinen Text vergessen, entschuldigte mich, und während ich meine Notizen suchte, wurde ich vom warmen Applaus des Publikums überrascht. Mein Herz ging auf - für das kühle nordische Publikum, vor dem man mich gewarnt hatte." Trotz verlockender Angebote hält Neumeier seitdem der Hansestadt die Treue, 2007 wird er als einer der wenigen Künstler überhaupt zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.

"Das stärkste Argument zum Bleiben war die Lebendigkeit des Hamburg Ballett, das sich unglaublich stark entwickelt hat", sagte Neumeier. 1985 handelt er einen neuen Vertrag aus, in dem ihm auch der Umbau einer alten Schule für sein Ballettzentrum mit Internat zugesichert wurde. Im Herbst 1989 bezogen die Compagnie und die 1978 gegründete Ballettschule das "Ballettzentrum Hamburg - John Neumeier", eine der wichtigsten Ausbildungsstätten für Ballettnachwuchs weltweit. 2006 gründet Neumeier die in seinem Haus beheimatete und nach ihm benannte Stiftung, 2011 das Bundesjugendballett. Noch nicht erfüllt hat sich sein Wunsch nach einem Ballettmuseum, das seine weltweit einzigartige Sammlung zur Geschichte des Tanzes beherbergen soll.

Seit 2015 steht ihm sein ehemaliger Erster Solist und Ballettmeister Lloyd Riggins (47) als stellvertretener Ballettdirektor zur Seite. Wenn es nach ihm ginge, soll der gebürtige Amerikaner 2019, wenn sein Vertrag ausläuft, seine Nachfolge antreten. "Für mich war es wichtig, rechtzeitig mitzudenken und zu überlegen, wer geeignet wäre, das Ensemble nach meinem Weggang zu übernehmen", sagte Neumeier dazu. Bis dahin hat der Choreograph, der in der Ballettwelt alle Auszeichnungen erhalten hat, die es gibt, noch viel vor: Im Juli feiert sein neues Ballett "Anna Karenina" nach dem Roman von Leo Tolstoi Premiere, im September übernimmt der Ballettchef an der Lyric Opera Chicago sowohl die Regie als auch die Choreografie der umfangreichen Ballettanteile der Oper "Orphée et Eurydice" von Christoph Willibald Gluck.

Hamburg Ballett