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Blick in die Seele Promi-Geburtstag vom 8. Mai 2017: Matti Geschonneck

Selbst wenn es um Mord und Totschlag geht: Regisseur Matti Geschonneck interessiert sich vor allem dafür, wie es im Inneren seiner Figuren aussieht.

Von Nada Weigelt, dpa 07.05.2017, 23:01

Berlin (dpa) - Selten hat jemand so liebevoll vom grauen Alltag in der DDR erzählt wie Matti Geschonneck in seiner Romanverfilmung "Boxhagener Platz". Der gebürtige Potsdamer ist einer der wichtigsten und profiliertesten deutschen Regisseure.

Rund 50 Filme hat er inzwischen gedreht, die meisten fürs Fernsehen. Und gleich, ob es Thriller oder Beziehungsdramen sind - immer zeichnen sie sich durch eine einfühlsame Milieuschilderung und den behutsamen Umgang mit den Figuren aus.

Heute feiert Matti Geschonneck 65. Geburtstag. Wie ein Geschenk vorab erhielt er bei der Premiere seines neuen Films "In Zeiten des abnehmenden Lichts" im Februar bei der Berlinale begeisterten Applaus. In der Romanverfilmung nach dem gleichnamigen Bestseller von Eugen Ruge spielt Bruno Ganz einen ranghohen SED-Funktionär, dessen Leben kurz vor dem Mauerfall 1989 aus den Fugen gerät. Kinostart ist am 1. Juni.

"Das ist für mich ein sehr wichtiger Film, auch wegen meiner eigenen Familiengeschichte, meiner eigenen Herkunft", sagt Geschonneck in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. "Es gab eben Gründe, wie es zur Entstehung der DDR kam, und Gründe, warum sie zusammengebrochen ist. Das beschäftigt mich nach wie vor sehr."

Eine lebenslange Wunde hinterlässt vor allem die Geschichte mit dem Vater. Erwin Geschonneck (1906-2008) war wegen seiner kommunistischen Gesinnung sechs Jahre in Konzentrationslagern der Nazis, später einer der erfolgreichsten Filmstars der DDR. Er verlässt die Familie, als der Sohn gerade vier ist. "Das war natürlich eine Seelenlast, nicht beim Vater aufzuwachsen, aber trotzdem immer mit diesem berühmten Namen konfrontiert zu sein", sagt der Sohn.

Matti, benannt nach der Hauptrolle seines Vaters in Bertolt Brechts Stück "Herr Puntila und sein Knecht Matti", tritt unwillkürlich in die so weit entfernten Fußstapfen. Schon als Erstklässler sitzt er ganze Nachmittage im Kino, träumt von Filmen und studiert schließlich am renommierten Eisenstein-Institut in Moskau Filmschnitt und Dramaturgie.

Doch dann kommt alles anders. Als er sich 1978 bei der Ausbürgerung seines Freundes Wolf Biermann weigert, sich von diesem zu distanzieren, bleibt auch ihm bald nichts anderes als der Weg in den Westen. Obwohl er dort mit seiner großen Liebe Eva-Maria Hagen, der einstigen Lebensgefährtin Biermanns zusammenkommt, wird der Start mehr als schwierig. "Das war ein harter Schnitt. Ich hatte ja niemals vor, die DDR zu verlassen."

Lange Jahre muss er im anderen Deutschland als Regieassistent arbeiten, ehe er mit fast 40 seinen ersten eigenen Film machen kann. Auf Anhieb sorgen seine "Tatorte" und ungewöhnlichen Thriller für Aufsehen, die sich weniger für Blut als für das Seelenleben von Triebtätern, Frauenschändern und Opfern interessieren. Beispiele sind etwa "Der Mörder und sein Kind" (1994) oder "Angst hat eine kalte Hand" (1996), später der Justizthriller "Das Ende einer Nacht" (2012).

Vielfach preisgekrönt werden auch seine prominent besetzten Psycho- und Gesellschaftsdramen wie "Die Nachrichten" (2005), "Silberhochzeit" (2006), "Liebesjahre" (2011) und "Ein großer Aufbruch" (2015). "Kaum einer schaut so genau hin wie Geschonneck", urteilte die "Stuttgarter Zeitung" einmal. "Er dehnt die Momente, um das Innenleben seiner Darsteller nach außen zu stülpen, mit all ihren Brüchen."

Als besonderes Glück empfindet es der Filmemacher bis heute, dass er nach dem Fall der Mauer seinen Vater noch richtig kennenlernte. In "Matulla und Busch" (1995) stand der legendäre DDR-Schauspieler für seinen Sohn sogar noch einmal vor der Kamera - sein Abschiedsfilm. "Wir waren die letzten 15 Jahre seines Lebens sehr verbunden - das war für mich ein großes Geschenk", sagt Geschonneck.

Seit 18 Jahren ist er inzwischen mit seiner Frau, der Schauspielerin und Regisseurin Ina Weisse (48), zusammen, die immer wieder auch in seinen Filmen mitspielt. Das Paar lebt in Berlin-Mitte.

Selbst am Geburtstag will Geschonneck arbeiten. Er dreht derzeit mit Anke Engelke für das ZDF in Köln. Für das kommende Jahr bereitet er ebenfalls fürs Zweite die Verfilmung von Juli Zehs Gesellschaftsroman "Unterleuten" vor.

Zurückschalten ist für ihn trotz "Rentenalter" kein Thema. "Die Frage stellt sich für mich nicht", sagt er. "Man kann einen Film nur mit voller Konzentration und ganzer Kraft machen. Und so lange das geht, werde ich es tun."