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Kurse Kampf der Kippe

Die Lungenklinik Lostau bietet ab März Kurse an, damit der Griff zur Kippe aufhört.

Von Christian Jäger 10.02.2016, 06:00

Lostau l Rauchen ist eine Volkssucht, auch wenn sie in Deutschland als solche nicht anerkannt wird. Und kaum eine andere wird in ihren Folgen so unterschätzt. „Rauchen ist ein wesentlicher Risikofaktor“, erklärt Chefarzt Dr. Jost Achenbach, „nicht nur für Lungenkrebs, sondern auch für chronische Lungenkrankheiten, Gefäßerkrankungen oder Schlaganfälle“. Was viele nicht wissen, auch Blasenkrebs kann durch das Paffen verursacht werden. Nicht nur die Lunge ist betroffen, die Schadstoffe werden durch die Nieren ausgeschieden. Auch chronische Bronchitis zählt zu den Folgen, laut Dr. Achenbach sogar bei 50 von 100 Rauchern. Im Allgemeinen gilt: „Rauchen ist eine der häufigsten Teilursachen der vorzeitigen Sterblichkeit“, erklärt der Chefarzt. Vereinfacht gesagt – es kann töten.

Der Rauch einer Zigarette ist ein Gemisch aus über 4800 Substanzen. Viele davon sind als giftig oder krebserregend eingestuft. Die Bläschen der Lunge sind besonders anfällig dafür, diese Schadstoffe aufzunehmen und sie an den Blutkreislauf weiterzugeben. Viele der Substanzen potenzieren ihre Schädlichkeit noch, da sie in Wechselwirkung miteinander stehen. Deswegen gilt, dass es keinen Schwellenwert gibt, bis wann Rauchen ungefährlich ist. „Es gibt keine Grenze, es gibt kein gesundes Maß“, stellt Dr. Achenbach klar.

Um Risiken des Rauchens zu verstehen, müsse man es erst einmal aus dem rechten Licht betrachten. „Es ist eine Abhängigkeit wie jede andere Sucht, keine schlechte Eigenart“, verdeutlicht Dr. Achenbach. Nikotinrezeptoren sorgen für ein Verlangen, das dem von Alkohol oder anderen Drogen ähnelt.

Viele glauben, ihr Qualm-Verhalten unter Kontrolle zu haben, täuschen sich damit jedoch selbst. Wer über einen längeren Zeitraum mehr oder weniger regelmäßig zur Kippe greift, weckt eben diese Rezeptoren. „Nur beim Feiern“ – wer kennt diesen Satz nicht. Bei den Wenigsten bleibt es jedoch dabei. Ab wann man abhängig ist, kann nur schwer verallgemeinert werden. Aber: „Nach einem halben Jahr kann man prinzipiell von einer Sucht ausgehen“, weiß Dr. Achenbach. „Dann ist es keine Unsitte mehr, sondern ein Suchtempfinden.“

Und dieses wieder loszuwerden, ist gar nicht so einfach. Es allein zu bewältigen noch viel weniger. „Ein Kurs ist nachweislich förderlich“, weiß Dr. Achenbach. Und die Lungenklinik bietet einen solchen das nächste Mal ab dem 14. März an. Dieser wird von Sozialpädagogin Liane Scheffler geleitet, dauert sechs Wochen und wird größtenteils von der Krankenkasse übernommen. Seit vier Jahren bietet die Klinik dieses Angebot an.

Der Kurs ist in drei wesentliche Elemente gegliedert: Vorbereitung, Rauchstopp und Stabilisation. So werden die ersten vier Sitzungen vorbereitend sein. Anfangs wird über das Rauchen informiert – und zum rauchfreien Leben. Anschließend wird die Ambivalenz des Rauchens aufgeschlüsselt, also das eigene Rauchverhalten offenbart. „Dabei werden viele Denkfehler angesprochen“, sagt Liane Scheffler. Es seien nämlich Irrglauben, dass eine Kippe die Konzentration fördert oder beruhigt. Es werden Teufelskreise offenbart: „Rauchen erzeugt ein Wohlfühl-Gefühl, das Nichtraucher sowieso haben. Man macht sich teilweise selber Stress.“ Es ist eine Kopfsache. Um dies aufzuzeigen, werden Registerkarten zum eigenen Rauchverhalten geführt. „Die Teilnehmer sollen sich bewusst mit dem Rauchen beschäftigen und sich auch die Frage stellen ‚war die Zigarette nun eigentlich nötig?‘“

Die dritte Sitzung beschäftigt sich mit den Denkfehlern, zeigt aber auch Alternativen zum Rauchen auf. Danach wird der Rauchstopp vorbereitet, dem vermutlich härtesten Schritt des Kurses. Denn anschließend soll nicht mehr zur Kippe gegriffen werden. Hart zumindest im Kopf, denn laut Liane Scheffler haben 50 Prozent der Menschen gar keine Entzugserscheinungen.

In den beiden Sitzungen danach werden die Erfahrungen mit dem Rauchstopp ausgetauscht, Rückfallprohylaxe betrieben und die „neue Identität“ als rauchfreie Person besprochen. Später werden sogar Blutwerte mit denen von vorher verglichen. „Das ist Motivation pur“, weiß Scheffler.

Der gesamte Kurs folgt keinen festgefahrenen Abläufen. Die Teilnehmer wirken aktiv an der Gestaltung mit. „Schließlich sitzen alle im selben Boot“, so Scheffler – selbst ehemalige Raucherin. Da jeder seine ganz eigenen Strategien entwickelt, erfolgt ein reger Austausch. Manche zerbrachen Zigaretten. Manchen half es, den Rauchstopp Rauchpause zu nennen. Manche sind von Kaffee auf Tee umgestiegen, weil Kaffee ihre Lust auf das Rauchen steigerte. Manche gaben dem Verlangen ein Bild, um es aktiv bekämpfen zu können. Darüber wird gesprochen, sodass jeder zu seinem eigenen Weg findet. „Die Sitzungen werden lebendig, das kann nur helfen.“

Nach dem Kurs werden die Teilnehmer nicht einfach sich selbst überlassen. Danach folgen Telefonate und individuelle Gespräche, sogar ein Abschlusstreffen. Denn: „Wer es geschafft hat, muss trotzdem noch dran bleiben“, weiß Scheffler. Zwar verließen den Kurs 80 Prozent rauchfrei, nach einem Jahr liegt der Wert allerdings nur noch bei 50 Prozent. „Die Erfolgsquote eines Kurses ist höher, als wenn man es selbstständig probiert“, sagt Dr. Achenbach. Auf eigene Faust wird es oft nichts.

Wer es doch gepackt hat, wird viele Veränderungen feststellen. „Wer die Abstinenz erreicht, kann stolz sein“, weiß der Chefarzt. Nicht nur das. Derjenige wird Leistungssteigerungen feststellen, wieder über ausgeprägtere Geschmackssinne verfügen und natürlich ein dickeres Portemonnaie haben. Der Preis von Kippen sei übrigens auch ein statistischer Faktor, die Zahl der Raucher zu senken. „Wenn die Steuern erhöht werden, nimmt die Zahl ab“, berichtet Dr. Achenbach. Insgesamt sind die Gründe vielfältig. Und: „Es ist nie zu spät zum Aufhören.“

 

Kursbeginn ist am 14. März. Für weitere Informationen und Anmeldungen richten Sie sich per Telefon 039222/811 18 oder Mail an sozialdienst-l.scheffler@lungenklinik-lostau.de an Kursleiterin Liane Scheffler.