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Waffenschein Angst ist ein schlechter Ratgeber

Das Sicherheitsgefühl der Bürger im Jerichower Land scheint sich zu verändern. Immer mehr Menschen decken sich mit Schreckschusswaffen ein.

22.02.2016, 23:01

Burg l Der Jahreswert 2015 ist in den ersten sieben Wochen des neuen Jahres bereits überschritten. „Bisher wurden 23 kleine Waffenscheine erteilt“, erklärt Kreissprecherin Claudia Hopf-Koßmann auf Nachfrage der Volksstimme. Zudem liegen noch 70 Anträge im Landratsamt, die bearbeitet werden. Im Vergleich: 2015 wurden 18 genehmigt, 2014 nur die Hälfte dessen und vor drei Jahren beantragten 15 Personen erfolgreich einen „kleinen Waffenschein“. Alle drei Jahre werde die Eignung überprüft, sagt Claudia Hopf-Koßmann: „Die Behörde holt dazu die unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister, die Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister und eine Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle sowie der zuständigen Meldebehörde ein.“

Bundesweit sind bis Ende Januar 301 000 „kleine Waffenscheine“ eingetragen. Sie werden dafür benötigt, wenn Reiz-, Signal oder Schreckschusswaffen in der Öffentlichkeit getragen werden wollen. „Wird eine PTB-Waffe nur in der eigenen Wohnung aufbewahrt, ist keine Erlaubnis erforderlich“, heißt es in einem Informationsblatt des Landkreises Anhalt-Bitterfeld. Hinter „PTB“ verbirgt sich die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, die solche Waffen prüft und mit einem Siegel zertifiziert. Bei Großveranstaltungen wie Fußballspielen, Jahrmärkten oder Demonstrationen ist das Tragen jedoch verboten.

Für den reinen Erwerb gibt es in Deutschland keinerlei Begrenzung. PTB-Waffen können ab dem 18. Lebensjahr gekauft werden. So nahmen in den vergangenen Wochen auch die Verkaufszahlen dieser Waffen rasant zu. „Seit Mitte November ging das stark nach oben“, sagt der Geschäftsführer des Verbandes deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler, Ingo Meinhard. Ausgelöst worden sei der Anstieg durch die Terroranschläge von Paris. „Und im neuen Jahr ist der Kundenandrang nochmal in die Höhe gegangen.“ Als Auslöser werden hier oftmals auch die Geschehnisse aus der Kölner Silvesternacht angeführt. Seitdem scheint das Sicherheitsgefühl der Bürger ein anderes zu sein. Doch das Gefühl täuscht, wie Polizeisprecher Thomas Kriebitzsch bestätigt: „Ohne der Bekanntgabe der polizeilichen Kriminalstatistik vorzugreifen, ist für das Jerichower Land keine signifikante Erhöhung von Gewaltdelikten festzustellen.“

Das subjektive Sicherheitsgefühl entspreche in den „seltensten Fällen“ den tatsächlichen Gegebenheiten in einer Region. „In den letzten Monaten wurde die Polizei im Jerichower Land immer wieder mit Gerüchten verschiedenster Art konfrontiert. Das ging über das Verspeisen eines kompletten Streichelzoos (Lostau), andauernde tägliche Diebstähle in Supermärkten (Heyrothsberge, Burg) bis zur Nichtverfolgung von durch Asylbewerber/Flüchtlingen begangenen Straftaten“, sagt Kriebitzsch und betont: „Diese Gerüchte haben sich bislang stets als unwahr herausgestellt.“

Dennoch sind die Anträge gestiegen, die Sicherheit für viele Menschen in der heutigen Zeit ein noch höheres Gut. Diese zu gewährleisten, ist vielen Bürgern wichtig – auch mit eigener Aufrüstung. Doch die Polizei warnt. „Es gibt keine Waffen oder Geräte, die aus polizeilicher Sicht zur Abwehr generell und bedingungslos zu empfehlen sind“, hebt Kriebitzsch hervor. Vielmehr würden sie dazu beitragen, dass man einen Konflikt offen austrägt, statt ihm aus dem Weg zu gehen.

Aus Angst verschaffe man sich mit Waffen „ein Gefühl aus Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit“, erklärt Kriebitzsch: „Angst ist aber ein schlechter Ratgeber.“

Zu Konfliktsituationen ist es dennoch nicht gekommen. Beschlagnahmt worden einige, das komme „gelegentlich“ vor. Sorgen haben die Beamten aber nicht. Zumindest nicht wegen der legalen Waffen, die von Personen mit „kleinen Waffenschein“ geführt werden.

Die Inhaber hätten diesen schließlich ordnungsgemäß beim Landkreis beantragt und genehmigt bekommen. „Diese Bürger haben dort einem Einblick in verschiedenste auch staatsanwaltschaftliche und polizeiliche Register zugestimmt und haben zweifelsfrei ihre Identitäten nachgewiesen“, stellt Kriebitzsch klar: „Problematisch sind immer, und das nicht erst seit ein paar Monaten, die illegalen Waffen, die oftmals von Personen mit unlauteren Absichten beziehungsweise krimineller Vergangenheit geführt werden.“ Das ist das eigentliche Risiko.