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Wahldebakel Rücktritt der Parteispitze gefordert

Die Parteien im Jerichower Land suchen nach teilweise heftigen Verlusten vom Wahlsonntag nach Antworten und Ursachen.

15.03.2016, 05:00

Burg/Gommern l Es gibt Gulasch und Sekt, die runden Stehtische sind in weiß gehüllt: Aus der SPD-Wahlparty im Büro von Matthias Graner in der Burger City wird um 18 Uhr ein Abschiedsessen im gesitteten Ambiente. Gastgeber ist der nun ehemalige Landtagsabgeordnete Graner, der sein Büro zum Monatsende räumen wird. Nur zehn Prozent für die Sozialdemokraten waren viel zu wenig für den Wiedereinzug Graners: „Ich habe jetzt einige Monate Zeit, mir einen anderen Job zu suchen“, sagte er zur Volksstimme. Schon um 21 Uhr war die Zusammenkunft beendet: Der Gulaschtopf war noch halbvoll.

Als Erster hat Landrat Steffen Burchhardt am Sonntag eine Analyse parat. Seine Wortwahl ist so hart wie der tiefe Fall seiner Partei, die sich beim Stimmenanteil im Land halbiert hat. Burchhardt benutzt Vokabeln wie desaströs oder schockierend: „Wir müssen im Land alles auf den Prüfstand stellen, die Regierungsarbeit, unsere Themen, unsere Köpfe und unseren Wahlkampf.“

Auch aus Sicht von Burgs Bürgermeister Jörg Rehbaum muss ein reinigendes Gewitter durch die Parteizentrale fegen: „Die Landesvorstand sollte geschlossen zurücktreten, um danach mit einem Parteitag einen Neuanfang zu starten.“ Das Positive für ihn: Es war keine Stadtratswahl: „Unser Stadtrat ist sehr gut aufgestellt, ein solcher Rechtsruck wäre ein Debakel für unsere künftige Arbeit.“ Seiner Meinung nach ist es nicht allein das Flüchtlingsthema, das den etablierten Parteien derart viele Stimmen gekostet hat: „Wir müssen wieder lernen, die Menschen in die Prozesse mit einzubeziehen. Die Politik muss spüren, was die Menschen von ihr erwarten.“

Mindestens drei Oktaven besser war die Gefühlswelt der Christdemokraten bei ihrer Party im Soziokulturellen Zentrum an der Bebelstraße. 60 Parteifreunde zitterten mit Spitzenmann Markus Kurze um das Direktmandat im Wahlkreis. „Erst gegen 21.30 Uhr löste sich allmählich die Anspannung, als klar wurde, dass Markus der Wahlsieger ist“, sagte Kreistagsvorsitzender Matthias Fickel gestern zur Volksstimme.

Doch auch aus seiner Sicht kann es kein „weiter so“ geben: „Wir müssen auch im kommunalen Bereich die bessere Arbeit machen und die besseren Argumente liefern als die AfD.“ Fickel geht davon aus, dass diese Partei jetzt auch im Landkreis und den Gemeinden Strukturen aufbauen wird.

Exakt 20 Stimmen oder 0,2 Prozentpunkte hinter dem Direktkandidaten Markus Kurze gelangte am Sonntagabend Oliver Finzelberg über die Ziellinie im Wahlgebiet der Stadt Burg. Angesichts der im Herbst stattfindenden Bürgermeisterwahlen an der Ihle ein berauschendes Ergebnis für den noch jungen Kreisverband der Alternative für Deutschland (AfD). Noch wolle man nicht an den nächsten Wahltag denken, doch ein eigener Kandidat für die Wahl sei „eine interessante Angelegenheit“, betont Schatzmeister Rico Kasprick auf Nachfrage der Volksstimme. „Wir ziehen es auf alle Fälle in Betracht, einen Kandidaten von hier ins Rennen zu schicken, aber natürlich können wir jetzt noch keinen Namen nennen“, so der Schopsdorfer weiter.

Zuallererst sei die Prämisse, die politische Arbeit im Landkreis weiter auszubauen. „In den Kommunen wird die Arbeit gemacht, das ist für die Menschen entscheidend“, so Kasprick. Die Arbeit vor Ort sei nach dem landesweiten Erfolg von 29 Abgeordnetensitzen im Magdeburger Landtag „das Ansinnen“ der AfD-Politiker in der Stadt Burg und im Jerichower Land.

Im Gegensatz dazu gab es durchgängig hängende Köpfe bei den Linken. Die Verluste sind deutlich. Bis vor kurzem hatte das Jerichower Land mit Harry Czeke (Genthin), Edeltraud Rogee (Burg) und Gerald Grünert (Gommern) gab es noch drei Abgeordnete für das Jerichower Land – abgewählt! Jetzt ist die Linke unseres Landkreises ebenso wie die SPD im Landtag nicht mehr vertreten. Entsprechend verbittert sagte die Burger Kandidatin Kerstin Auerbach am Sonntag zur Volksstimme: „Einem Landtag in dieser Konstellation möchte ich nicht angehören.“

Genthins Bürgermeister Thomas Barz ist parteilos. Der Schopsdorfer beobachtete die Wahl am Sonntag aus neutraler Position: „Ich habe dieses Ergebnis erwartet.“ Er glaubt jedoch, dass eine Stadtratswahl einen anderen Ausgang gehabt hätte, da es meistens eine Personenwahl sei: „Ich bin mir jedoch sicher, dass nichts mehr sicher ist. Man wird sehen, ob die Konstellation für die nächsten fünf Jahre im Landtag halten wird. Ich hoffe, dass wir es schaffen, zurück zur Sachpolitik zu kommen.“