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Schreiben in der JVA „Besser als den ganzen Tag Sport“

Gefangene der Justizvollzugsanstalt (JVA) Burg bringen ihre Gedanken in der Schreibwerkstatt „Talentlos“ seit fünf Jahren zu Papier.

18.03.2016, 15:00

Burg l Die Tür schließt sich. Die nächste geht erst dann auf, wenn die vorhergegangene wirklich verschlossen ist. So gelangen die Besucher am Dienstagabend in die JVA Burg. Abgeholt von einem Justizbeamten werden sie in den Sakralraum geführt. Dort empfängt Jana Büttner die Gäste von „draußen“, wie Besucher umschrieben werden. Im Hauptberuf ist Büttner Pastorin und Seelsorgerin in der JVA. Seit nunmehr fünf Jahren betreibt sie zusammen mit Ludwig Schumann die Schreibwerkstatt „Talentlos“.

„Wir setzen uns zusammen, gehen die Texte durch“, erklärt die Theologin. Ein bis zweimal im Jahr gibt es dann eine Lesung für die Gäste von außerhalb. „Wir haben auch schon mehrere Bücher herausgebracht“, verkündet sie mit stolzer Stimme und hält das aktuelle Werk „Verlassenes Ich“ in den Händen. Zuvor haben die Gefangenen zwei Poesiehefte und ein Weihnachtsbuch gefüllt. „Aber auch ein Buch mit Texten von Häftlingen als auch von Autoren von draußen haben wir schon gefertigt“, sagt Jana Büttner.

Eine Besonderheit am Dienstagabend stellte der Jazzmusiker Konrad „Conny“ Bauer dar. Der Posaunist gehört zu den profiliertesten Europas und hat schon mehrere Filmmusiken, wie zum Beispiel für die Krimierserie „Polizeiruf 110“, komponiert. Er improvisierte zu den Texten der Gefangenen, hörte sie an jenem Tag auch das erste Mal. Genauso haben die Gefangenen erstmals ihre Werke in Verbindung mit der Jazzmusik gebracht. Darunter sind auch Texte von Jonas Schmidt (*Name von der Redaktion geändert). „Die Kreativität erfasst mich meist abends, wenn ich Musik höre“, erklärt der groß gewachsene Mann vornehm. „Dann schreibe ich meine Gedanken auf.“ Die Schreibwerkstatt sei „eine bessere Alternative als nur den ganzen Tag Sport zu treiben“. Schmidt ist nicht der Typ Schriftsteller, den man sich vielelicht vorstellt. Das sagt der stark tätowierte Mann von sich selbst. „Ich habe auch eine stark ausgeprägte Lese-Rechtschreib-Schwäche gehabt“, ergänzt er. Bei der Schreibwerkstatt ist das kein Problem. Die Texte werden auf Papier geschrieben und von Jana Büttner abgetippt. Denn einen Computer haben die Gefangenen nicht in ihrem Haftraum. „Anschließend gehen wir sie teilweise in der Gruppe gemeinsam durch“, erklärt Jonas Schmidt. „Man muss also auch sehr kritikfähig sein.“

Als alle Fagen des Reporters beantwortet sind, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Die Freude, die Begeisterung, seine Texte bei der Lesung vorgestellt haben zu dürfen, sieht man ihm und seinen Mithäftlingen an. „Vielen Dank, dass Sie heute hier waren“, freut sich Schmidt. Rührung ist in seiner Stimme erkennbar. Dann muss er gehen. Die Wärter warten. Die Tür schließt sich.