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Preisdumping Bauern wollen weiter protestieren

Volksstimme-Redakteur Falk Heidel sprach mit dem Chef des Kreisbauernverbandes, Karl-Heinz Jäger, über weitere Aktionen gegen Preisdumping.

31.03.2016, 14:00

Volksstimme: Herr Jäger, welche Auswirkungen haben die aktuell niedrigen Preise für Produkte wie Milch und Getreide auf die Landwirte?

Karl-Heinz Jäger: Wir zahlen unseren Mitarbeitern den Mindestlohn und darüber hinaus. Entsprechend kostet mich ein Melker 150 Euro pro Tag. In unserem Demsiner Unternehmen arbeiten vier Melker und ein Futtermittelfahrer in direktem Zusammenhang mit der Milch. Mit einem Liter-Preis von derzeit 25 Cent kann ich ihren Lohn nicht erwirtschaften. Die logische Konsequenz wäre also, Milchkühe abzuschaffen, Mitarbeiter zu entlassen.

Das hätte enorme Konsequenzen für die Region.

Natürlich. Junge Menschen wandern aus. Sie ziehen der Arbeit hinterher nach Süddeutschland. Hinzu kommt, dass 30 Prozent unserer landwirtschaftlichen Flächen Grünland sind. Wenn diese Areale nicht genutzt werden, holt sich die Natur solche Gebiete sehr schnell zurück. Birken brauchen nur wenige Jahre, um sich auszubreiten. Auf der anderen Seite kommen die Großindustriellen und kaufen in unserer Region große Flächen ein. Passiert ist dies unter anderem in Schlagenthin, Bahnitz oder Plaue. Bei Grundstückskäufen überbieten die großen Firmen die einheimischen Interessenten regelmäßig. Lokale Unternehmen kommen nicht mehr zum Zuge. Das kann nicht gesund sein.

Was wollen die Landwirte beziehungsweise der Bauernverband unternehmen, um dies zu verhindern?

Wir müssen Druck machen. Wir müssen den Menschen erklären, dass man ein Stück Butter für 75 Cent mit realen Bedingungen nicht erzeugen kann. In Leipzig gab es einen Trecker-Korso durch die Innenstadt. Und ich kann mich noch gut an 2009 erinnern, wo wir mit Traktoren in Berlin um die Siegessäule herum gefahren sind. Nur mit solchen Aktionen können wir die Menschen wachrütteln.

Vorige Woche gab es eine erste Aktion in Magdeburg. Sie waren dabei, als die Bauern aus dem Jerichower Land bei der Handelskette Norma aufkreuzten.

Ja, aber diese Aktion war ein Witz. Wir waren viel zu brav. Dieser Tag hat die gewünschte Wirkung deutlich verfehlt.

Welche Wirkung wünschen Sie sich denn?

Der Milchmarkt gibt höhere Preise her. Handelsketten, Molkereien und Landwirte müssen andere Margen aushandeln. Ganz schnell, sonst geht das Höfesterben weiter. Es ist nicht 5 vor 12, sondern fünf Minuten nach. Etliche Firmen sind schon vom Markt verschwunden.

Wieviel Zeit bleibt Ihnen noch?

Wenn nicht in den nächsten Tagen und Wochen etwas passiert, werden wir Bauern in spätestens drei Wochen neue Aktionen planen. Und ich kann Ihnen versprechen, die werden nicht so brav sein wie der Auftakt.

Wieso kommen keine marktüblichen Preise zustande?

Ganz einfach, Handelsketten und Molkereien handeln sich ihre Preise und Gewinne aus. Wir Bauern sind nur noch Restgeld-Empfänger. Dieses Restgeld liegt im Augenblick bei etwa 25 Cent pro Liter. Das Ergebnis sehen wir dann in den Supermärkten, wo ein Stück irische Butter für 1,40 Euro neben unserer guten deutschen Butter liegt, die schon für 75 Cent zu haben ist.

Welche konkreten Druckmittel haben die Landwirte in der Hand?

Wir müssen vor allem zusammenhalten, schließlich geht es um unsere Existenzen. Wenn die Bauern fünf Tage lang keine Milch liefern, spüren das die Verbraucher an leeren Supermarkt-Regalen. Bei der letzten großen Preiskrise 2009 haben die Lieferanten leider nur drei Tage durchgehalten.

Allerdings werden die Preise für Lebensmittel an den internationalen Finanzmärkten gemacht.

Ja natürlich, Neuseeland, Irland und Holland drehen den Milchhahn auf, was den Preisverfall begünstigt. Auf der anderen Seite schauen wir nach Frankreich. Hier sind nach massiven Protesten die deutschen Milchprodukte aus den Regalen genommen worden, weil die Einheimischen kein Lohndumping wollen.

Welche Rolle spielt die Qualität ihrer Produkte?

Das frage ich mich auch. Die Autoindustrie lässt sich jedes Extra teuer bezahlen. Wer ein hochwertiges Auto möchte, muss wesentlich mehr Geld auf den Tisch legen, als für ein 08/15-Modell. Für hochqualitative Milch bekommen Bauern keinen Cent zusätzlich.

Müssen wir uns nicht ohnehin daran gewöhnen, dass es bald keine Milchviehhöfe gibt? Bei Schweinen und Geflügel ist dieser Wandel zur industriellen Haltung schon längst vollzogen.

Grundsätzlich fehlt den Menschen der Respekt vor der Landwirtschaft. Kein Mensch spricht mehr von Hühnereiern. Nachdem die Gesetze hierzulande verschärft worden sind, hat sich die Produktion nach Osteuropa verlagert. Dort gibt es solche Vorschriften nicht. Ergebnis: Dort werden nicht nur die Eier produziert, sondern Dinge wie Ei-Shampoo oder Eipulver gleich mit. Die strengen deutschen Gesetzen haben den Hühnern nichts genützt, den Arbeitnehmern noch mehr geschadet.

Aber schmecken Eier von Hühnern, die Gras und Sonne gesehen haben, nicht viel besser?

Die Industrie malt hübsche Bilder auf die Verpackungen, die Realität sieht anders aus: Wir züchten keine Kuscheltiere, sondern Nutztiere, von denen die Menschen nicht nur in unserer Region leben. Zur Wahrheit bei Eiern gehört auch, dass Exemplare aus Käfighaltung hygienisch einwandfrei sind. Bei allen anderen Haltungsformen ist das nicht der Fall.

Zurück zu den Milchpreisen. Was muss passieren, dass das Preis-Leistungs-Gefüge wieder ins Lot kommt?

Das ist ein gutes Thema für eine Universitätsstudie. Die neuralen Fachleute sollen ermitteln, mit welchem Preis ein Liter Milch unter seriösen Bedingungen erzeugt werden kann. Zu den Kosten gehören unter anderem die Mitarbeiter, Futter, Strom, Tierarzt etc. Ein so ermittelter Preis könnte bei künftigen Verhandlungen als Richtlinie dienen.