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Betreuung Cornelius im Reich von Kindern und Senioren

Das 25-jährige Corneliuswerk ist eine Einrichtung auf zwei Säulen: Kinder und Jugend sowie Senioren. Jetzt steht das Jubiläumsfest an.

Von Falk Heidel 10.06.2016, 01:01

Burg l Kurt Wiechmann ist eine Frohnatur. Oder wie er sagt: „Ich bin ein zufriedener Mensch.“ Schaut man in sein Gesicht, erblickt man einen 74-jährigen Rentner. „Von wegen...“, sagt Wiechmann triumphierend: „Ich bin jetzt 94 Jahre alt.“ Der Senior gehört irgendwie zum Corneliuswerk, seit es diese Einrichtung gibt. Zuerst innerhalb des betreuten Wohnens – mittlerweile ist das Zimmer 209 des Altenhilfezentrums am Marienweg sein Zuhause: Ein großes Zimmer mit Bett, Sessel, Fernseher und Schränken, dazu Balkon und großzügiges Bad: „Ich lebe gerne hier. Und ich sage das nicht nur, weil die Pflegedienstleiterin neben mir sitzt.“

Das Altenheim (den Begriff hören die Mitarbeiter nicht so gern) ist ein buntes Haus, innen und außen mit fröhlichen Farben versehen. Gerade stehen große Gerüste an einer Fassade: „Wird auch Zeit, der alte Anstrich war schon ziemlich verblasst“, meint Pflegedienstleiterin Andrea Kumpfert. Die 48-jährige Chefin über 55 Pfleger und sieben Präsenzkräfte (das sind die Leute, die die Bewohner betreuen, mit ihnen spielen oder Sport machen) kommt sportlich daher: farbiges Shirt (kein Medizin-Weiß), Sandalen zur dreiviertel-Hose, Fitness-Armband.

In ihrem Senioren-Zentrum (das hören die Mitarbeiter schon lieber) leben 88 Menschen in Ein-Bett-Zimmern. Alle sind auf einer großen Tafel in Andrea Kumpferts Büro aufgelistet. Gleich daneben hängt die Warteliste mit durchschnittlich zehn Namen: „Meist sind dies Menschen, die wir schon seit vielen Jahren kennen, entweder über die ambulante Pflege oder vom betreuten Wohnen.“

So wie Kurt Wiechmann. Auf dem Balkon liegt ein Fernglas, neben dem Schrank ein Sechser-Pack Bier: „Hier ist alles unkompliziert. Wenn ich Appetit darauf habe, dann hole ich mir eine Flasche.“ Der Senior verbringt seinen Alltag im Rollstuhl, lässt sich davon aber den Lebensmut nicht nehmen: „Ich blicke aus dem Fenster und kann die ganze Stadt sehen. Eine herrliche Aussicht.“ Wiechmann erzählt von seiner Oberschenkelverletzung aus dem Krieg, die er sich im italienischen San Remo zugezogen hatte: „Mein Gegenüber hat die Auseinandersetzung nicht überlebt. Ich hatte viel Dusel.“ Er erzählt über seine Zeit als Zimmermann in Burg und von den Jahren als Leiter des Krankentransports. Und er macht keine Hehl daraus, der er die jungen Pflegeschwestern ganz besonders mag.

Wer täglich mit Senioren arbeitet, muss (oder darf) sich viele Lebensgeschichten anhören. „Ja, wir kennen manchmal intime Details, von denen nicht mal die engsten Angehörigen wissen“, erklärte Leiterin Kumpfert. „Geheimnisse sind bei uns gut aufgehoben, wir unterliegen der Schweigepflicht.“

Das gilt natürlich auch für die ambulanten Schwestern, die zu den Menschen nach Hause kommen. Ohnehin geht der Trend in der Altenpflege weg von der Heimerziehung in Richtung ambulante Betreuung: „Diese Sparte wollen wir noch ausbauen, derzeit betreut unser ambulanten Pflegedienst 100 Kunden in Burg. Hinzu kommen weitere 300 in Weferlingen, Hötensleben und Aschersleben“, erklärt Simone Garnich. Sie ist die Geschäftsführerin des Corneliuswerks für den Bereich Altenhilfe. Zweiter Geschäftsführer ist Stefan Böhme. Seine Abteilung ist die Jugendarbeit, die zum großen Teil auf Gut Lüben stattfindet – eine gepflegtes Areal mit 100-jähriger Tradition am Rande von Burg.

Der kleine Fabian Dakota flitzt über den Kunstrasen-Fußballplatz am schattigen Spielplatzgelände auf Gut Lüben. Ringsum stehen die altehrwürdigen Gebäude mit kleiner Grundschule, Schulhort, Verwaltung und etlichen Wohnhäusern – es ist das Herz des Corneliuswerks. Laut Stefan Böhme gibt es hier fünf Wohngruppen mit 60 Bewohnern. Vor 30 Jahren hätten die Menschen dieses Areal als Kinderheim bezeichnet: „Heute leben die Menschen in ganz anderen Strukturen zusammen“, sagt Böhme. 30 Betreuer und Pädagogen kümmern sich um die Bewohner, zu denen Ivonne Lilpopp (39) gehört – die Mutti von Fabian Dakota, der bald seinen zweiten Geburtstag feiern wird: „Er hat das Talent zum Fußballstar.“

Die beiden leben im Mutter-Kind-Bereich des Corneliuswerks. Ivonne Lilpopp sagt: „Wir kommen prima miteinander aus, teilweise haben sich echte Freundschaften entwickelt.“ Eine gute Freundin ist für sie Tanja Bohne (29), die hier mit ihrer einjährigen Tochter Leonie Sophie lebt.

Doch Tanja ist schon einen Schritt weiter, sie wohnt im Giebel. „Das ist der Bereich, wo die Familien kurz vor dem Auszug schon sehr eigenständig leben“, erzählt Frank Garnich. Er ist der pädagogischer Leiter hier. Tanja Bohne hat sich schon eine Wohnung im Süden der Stadt organisiert: „Ich muss nur noch meine Bauchdecken-OP in Detmold überstehen, dann freue ich mich auf das neue Leben.“

Vom Auszug ist Ivonne Lilpopp noch ein ganzes Stück entfernt. Immerhin ist sie die einzige, die einer Arbeit nachgeht: „Ich bin Arabisch-Dolmetscherin und unterstütze die hiesigen Netzwerke bei der Arbeit mit Flüchtlingen.“ Woher sie die Sprache kann, ist schnell erklärt: „Ich habe 16 Jahre dort gelebt, unter anderem in Saudi-Arabien.“

Das Gut Lüben ist 1912 als Landeserziehungsanstalt vom Preußischen Staat gebaut worden. Das heutige Hortgebäude war ursprünglich die Krankenstation der Landeserziehungsanstalt, wurde nach 1945 von der Roten Armee als Lazarett genutzt. Später war das Gelände ein berüchtigter Jugendwerkhof. Einige Insassen von damals treffen sich hier einmal pro Jahr.

Hier steht die Wiege des Corneliuswerks, gegründet am 15. Juni 1991 als Betreiber des dortigen Landesjugendheims. Der niedersächsische Stephansstift als Träger hatte die Gründung auf den Weg gebracht. Zwei Jahre später kam der Bereich Altenpflege hinzu: „Das Corneliuswerk hatte das Seniorenzentrum am Marienweg 1993 vom Landkreis übernommen.“ Heute gehört das landesweit aktive Corneliuswerk zur Dachstiftung der Diakonie.

Zu den Gründern des Corneliuswerks gehört Pfarrer Walter Weber vom Stephansstift und der damalige Superintendent Folker von Reinersdorff aus Hohenseeden. Erster Geschäftsführer war der schon genannte Pastor Weber (bis 1992), gefolgt für ein Jahr von Pastor Hans-Günther Gellersen und Dirk Tiemann (1993 bis 2004). Danach Peter Hammer (bis 2010) und Thomas Uhle (bis 2014). Aktuell wird das Corneliuswerk mit den fast 400 Mitarbeitern geleitet von Simone Garnich (Altenhilfe) und Stefan Böhme (Jugend).

Übersetzt aus dem Lateinischen bedeutet Cornelius „Stark wie ein Horn“.