Flüchtlinge Mehr Raum für Gott

Für Muslime ist der Freitag ein Festtag. Zur Mittagszeit wird in großer Gemeinschaft gebetet. In Burg ist das derzeit nur draußen möglich.

Von Franziska Ellrich 01.07.2016, 01:01

Burg l „Es ist wichtig, dass wir freitags zusammen beten“, sagt Abukabar. Der junge Mann vertritt derzeit den Imam für die Burger Muslime. Er ist somit der ‚Vorbeter‘. Auch heute wieder, wenn sich dutzende Muslime auf dem Rasen in der Nähe der Gemeinschaftsunterkunft treffen, um gemeinsam zu beten. Vorsichtig rollen die Männer unter einem Baum große Teppiche aus. Das Geld dafür haben die Burger Muslime gesammelt. Nur zwei Meter entfernt rauschen die Lkw an den Gläubigen vorbei.

Was Abukabar an der aktuellen Situation stört: „Wir werden hier von den Mücken zerstochen und durch den ganzen Verkehr gestört.“ Dabei sei eine wichtige Regel beim Gebet: Man darf sich nicht ablenken lassen, soll sich voll und ganz auf das Gebet konzentrieren. Der Freitag ist für die Muslime ein Festtag. In den muslimischen Ländern schließen dann um die Mittagszeit alle Geschäfte, der Alltag auf den Straßen steht für eine Zeit still.

Kurz bevor Abukabar am Ortsrand von Burg mit dem ‚Adhan‘ - dem islamischen Gebetsruf - beginnt, zücken die anderen Männer ihre Telefone. Es gibt extra eine App mit dem Namen ‚Muslim Pro‘, welche die genauen Gebetszeiten sowie auf einem Kompass die richtige Richtung nach Mekka, dem zentralen Wallfahrtsort des Islam, anzeigt. Abukabar und die anderen jungen Männer knien sich auf den Boden. Ein älterer Herr mit verbundenem Fuß und Krücken sitzt daneben auf einem Stuhl. „Gerade im Ramadan ist das gemeinsame Beten so wichtig für uns“, erklärt Abukabar. Zur Zeit befinden sich die Muslime im Fastenmonat. In diesen Wochen wurde nach islamischer Auffassung „der Koran herabgesandt“.

Abukabar kommt aus Niger in Westafrika. Der 20-Jährige sagt, er sei dort vor dem Bürgerkrieg geflohen. Seit über einem Jahr lebt er jetzt in der Burger Gemeinschaftsunterkunft. Bis vor wenigen Wochen konnte Abukabar noch mit anderen Muslimen in einem Raum in der Gemeinschaftsunterkunft beten. Doch das ist jetzt vorbei. „Aus baurechtlichen Gründen“, erklärt der Besitzer der Gemeinschaftsunterkunft Karl-Heinz Höse von der Körbelitzer Agro Besitz- und Verwaltungs GmbH.

Das Problem: Der Raum ist nur rund 20 Quadratmeter groß und mehr als zwölf Personen finden darin keinen Platz. Anfangs kamen auch nur sechs bis acht Muslime regelmäßig zum Gebet in der Unterkunft, erinnert sich Höse. Doch mittlerweile waren es mehr als 100 Gläubige, die freitags aus der Umgebung und sogar aus anderen Landkreisen angereist sind. „Das Gebet wurde auf den Fluren und in anderen Sozialräumen vollzogen“, sagt die Sprecherin des Landkreises Claudia Hopf-Koßmann auf Nachfrage der Volksstimme. Vor allem aus Sicherheitsgründen wurde jetzt die Nutzung des Raumes unterbunden.

Seitdem wird draußen gebetet. Die Polizeibeamten schauen dort regelmäßig vorbei. Auch, wenn sich während des Ramadans die Muslime in der Nacht zum gemeinsamen Gebet treffen. Nachdem anfangs die Muslime ihrem Unmut über den verlorenen Raum Luft gemacht haben, „ist bisher alles völlig unproblematisch verlaufen“, sagt Polizeisprecher Thomas Kriebitzsch. Doch langfristig wünschen sich die Muslime eine Alternative, einen überdachten Gebetsraum. Ein wichtiger Grund dafür: „Die Frauen würden auch gern mitbeten, aber dafür muss es möglich sein, dass wir den Raum zum Beispiel durch einen Vorhang trennen“, erklärt Abukabar. Denn Frauen und Männer beten im Islam getrennt - „um sich nicht gegenseitig abzulenken“.

Vom Landkreis heißt es: „Wir sind nicht verpflichtet und auch nicht berechtigt, Gebetsräume vorzuhalten.“ Sprecherin Hopf-Koßmann weist auf die „Eigeninitiative der muslimischen Bürger“ hin. In diese Richtung geht auch der Vorschlag des Integrationskoordinators im Jerichower Land Marcus Wolff: „Die Gläubigen müssten einen Verein gründen und könnten dann zum Beispiel einen Raum anmieten.“ Genau so einen Verein einer islamischen Gemeinde gibt es bereits seit vielen Jahren in Magdeburg. Dort reisen freitags mehr als 600 Menschen regelmäßig an, um gemeinsam zu beten.

In Genthin haben sich die Muslime mit der aktuellen Situation arrangiert, sagt Koordinator Marcus Wolff. Dort treffe man sich in kleinen Gruppen in den einzelnen Privatwohnungen. Für Abukabar ist das derzeit keine Lösung: „Es ist unser Glauben und wir wollen beim Gebet unbedingt alle zusammen sein.“