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Interview der Woche Eine Checkliste für jeden Patienten

Seit mehr als 100 Tagen ist Dr. Martin Lehmann (54) als Ärztlicher Direktor am Burger Krankenhaus im Amt. Zeit für ein erstes Fazit.

12.12.2017, 04:00

Volksstimme: Herr Lehmann, Sie sind seit mehr als 100 Tagen im Amt als Ärztlicher Direktor. Wie viel ärztliche Praxis steckt noch in Ihrem beruflichen Alltag?

Dr. Martin Lehmann: Ich leite eine Klinik, aber mein Boxring bleibt der Operationssaal. Das geht auch gar nicht anders, schließlich will und muss ich manuell-technisch und wissenschaftlich auf der Höhe bleiben. Tatsächlich hatte ich vorher nicht erwartet, wie umfangreich die Arbeit als Mitglied der Krankenhausleitung ist. Dazu gehören der enge fachliche Austausch mit Klinikgeschäftsführung und Pflegedirektion, die Leitung der Transfusions- und Hygienekommission, Arbeitsschutz- und Arzneimittelkommission, der regelmäßig stattfindenden interdisziplinären Medizin-Konferenzen und des onkologischen Arbeitskreises. Mein zeitliches Verhältnis zwischen Leitungstätigkeit und Praxis liegt bei 50:50. Operationstage sind Montag und Freitag, da stehe ich auch für große chirurgische Eingriffe zur Verfügung. Meine Sprechzeiten finden dienstags und donnerstags statt. Der direkte Kontakt zu den Patienten ist mir nach wie vor sehr wichtig.

Sie sind jetzt mehr als 100 Tage im Amt. Zeit für eine erste Bilanz. Was hat sich im Haus verändert?

Da gibt es viele Beispiele. Unsere Klinik verfügt seit Neuestem über ein besonders modernes Ultraschallgerät. Dank einer hohen Bildauflösung können wir unsere Patienten noch genauer untersuchen und so mögliche Erkrankungen früher und besser diagnostizieren. Zudem hat sich unter Chefarzt Prof. Dr. Steffen Rickes im Bereich Telemedizin Einiges getan. Wir verfügen über ein Modul mit direkter Verbindung zur Schlaganfall-Station der Magdeburger Uniklinik, sodass wir Schlaganfälle auch hier wohnortnah und schnell behandeln können. Per Gesetz sind wir seit Oktober verpflichtet, ein Entlassungs-Management für jeden Patienten zu erstellen, für viele gab es das schon vorher über den Sozialdienst. Nun war es tatsächlich eine Herausforderung, die komplexen Abläufe für alle Patienten neu zu strukturieren. Da ist natürlich ein großer Teil Bürokratie für unsere Ärzte und Pflegekräfte hinzugekommen.

Entlassungs-Management, was heißt das?

Jeder Patient erhält bei der Entlassung nach einer Klinikbehandlung einen ganz konkreten Plan, wie es für ihn weitergeht. Benötigt er Pflege oder Physiotherapie? Welche Medikamente muss er nehmen? Neu ist auch, dass wir Klinikärzte jetzt Krankschreibungen und Rezepte für Medikamente und Heilmittel nach einer stationären Behandlung ausstellen können. Das ist für die Patienten natürlich eine große Erleichterung. Früher mussten sie sofort nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zum Hausarzt, um sich die Medikamente verschreiben zu lassen, die der Klinikarzt empfohlen hat. Diesen Weg ersparen wir ihnen jetzt. Für die Klinik haben wir eine Checkliste entwickelt, die für jeden Patienten von den unterschiedlichen Fachrichtungen ausgefüllt und zum Schluss vom Stationsarzt unterschrieben wird. In diesem Zusammenhang haben wir auch neue Druck- und Scantechnik angeschafft und neu organisiert.

Sie haben Strukturen und Abläufe verändert, was ist zuvor nicht optimal gelaufen?

Zum Beispiel waren einige zeitliche Einordnungen auf den Klinik-Stationen für die Patienten nicht harmonisch. Hier haben wir mit allen Berufsgruppen an einem neuen Zeitplan gearbeitet, der es sämtlichen Mitarbeitern und natürlich den Patienten nun einfacher macht. Es gab viele neue Ideen. Ich finde, es ist richtig gut geworden.

Wenn wir über das Gesundheitssystem reden, gehören die Krankenhauskeime zu den großen Themen. Wie gehen Sie in Burg mit dieser Herausforderung um?

Sehr sensibel. Über die Hygiene-Kommission gibt es im Klinikverbund jetzt einen Experten, der unter anderem die Antibiotika-Gaben optimiert. Es geht natürlich darum, die Ausbreitung von Krankenhauskeimen so gering wie möglich zu halten. Zur Wahrheit gehört aber auch die Tatsache, dass man solche Keime niemals zu 100 Prozent unterbinden kann. Unsere sehr guten Hygiene-Werte bestätigen uns beim Umgang mit Krankenhauskeimen eine gute Arbeit.

Veränderungen gab es auch an der Intensivstation.

Richtig. Die neue Intensivstation ist modernisiert und mit einer Überwachungsstation, Intermediate Care genannt, ergänzt worden. Mit der Technik sind wir in der Lage, Blutkreislauf oder Lungenfunktion besser zu überwachen. Wichtig war mir auch, dass die Zentrale Notaufnahme räumlich getrennt wird von den Krankenhaussprechzeiten. Mit der Eröffnung des Ambulanzzentrums auf dem Krankenhaus-Gelände haben wir eine neue Struktur geschaffen, um eine höhere Patientenzufriedenheit herstellen zu können. Damit entspannt sich die Lage in der Notaufnahme nachhaltig und wir bieten unseren Patienten im Ambulanzzentrum deutlich mehr Komfort.

Außer den Neuordnungen in der Struktur hat sich auch personell im Krankenhaus Einiges getan.

Das betrifft unter anderem unsere neue Abteilung für Endoskopie. Gerade bei entzündlichen Darmerkrankungen empfiehlt sich Teamarbeit bei Diagnostik und Therapie. Weil es diverse Überschneidungen gibt, ist es ein großer Vorteil, wenn Chirurg und Internist gemeinschaftliche Entscheidungen treffen. Oberärztin Dr. Jane Hohensee und Oberarzt Dr. Alexander Schorcht arbeiten hier sehr gut und eng zusammen. Mit dieser Abteilung haben wir eine gastroenterologische Lücke im Jerichower Land geschlossen.

Veränderungen oder Reformen sind oft mit Einschränkungen verbunden. An der Klinik passiert diesbezüglich sehr viel. Was kommt unter dem Strich dabei heraus?

Unser deutsches Gesundheitssystem gehört sicherlich zu den führenden in der Welt. Die Frage ist, wie lange wir es noch finanzieren können. Die Qualität steigt, die Menschen werden älter. Also müssen wir unsere Organisation anpassen. Aus meiner Sicht gilt es, Verwaltungen zu optimieren, stationäre Aufenthalte zu verkürzen und Leistungen zu zentralisieren. Ein Beispiel: Ein Gallenblasen-Patient blieb vor einigen Jahren fünf bis sechs Tage im Krankenhaus, heute wird er nach drei Tagen entlassen, wenn es keine Komplikationen gibt. Ganz abgesehen von der Kostenfrage, ist dies für den Patienten eine gute Nachricht, denn er kann schneller in seine vertraute Umgebung zurückkehren. Ich sehe für unser Haus und für die Bevölkerung eine gute Perspektive und bin überzeugt, dass wir eine hochwertige Medizin anbieten.

Bald ist Weihnachten. Wie fallen Ihre beruflichen Wünsche aus?

Mehr Zeit für unsere Patienten haben, aber das geht nicht nur mir so. Der bürokratische Teil der Arbeit ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen, hier müssen wir mit guter Organisation und kurzen Dienstwegen entgegensteuern. Auf dem Wunschzettel steht auch ein 3-D-Turm für die Operationen in der sogenannten Schlüssellochtechnologie. Zudem wünsche ich mir manchmal mehr Verständnis der Öffentlichkeit für die Arbeit der Ärzte und Pflegekräfte, die ihre Bemühungen auf die Erkrankung eines Menschen fokussieren und nicht immer ein „Rundum-Sorglos-Paket“ anbieten können.

Nach Weihnachten kommt das neue Jahr. Was steht für 2018 in Ihrem Kalender?

Nachdem wir das kostenlose WLAN für Patienten eingeführt haben, wollen und müssen wir die Digitalisierung weiterführen, zum Beispiel bei den Patientenakten. Das Ziel lautet weniger Papier, weniger Aktenordner, schnellere Kommunikation. Geplant ist zudem ein Palliativbereich. Ein weiteres Projekt ist der neue Aufwachraum für OP-Patienten, der an die Intensivstation angeschlossen wird. Weitere Umbaumaßnahmen werden im Haus C erfolgen. Die jetzigen Vier-Bett-Zimmer sind nicht mehr zeitgemäß. Wir wollen die Anzahl der Zwei- und Drei-Bett-Zimmer erhöhen. Die Aufgaben werden sicherlich nicht weniger, aber ich habe große Freude daran, sie mitzugestalten und ich denke, dass unsere Klinik den neuen Herausforderungen im Gesundheitswesen gewachsen ist.