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Investorensuche Alte Brauerei sucht Zukunft

Die Stadt Burg versucht jetzt auch bei der Vermarkung des Geländes der ehemaligen Feldschlößchen-Brauerei erfolgreich zu sein.

Von Steffen Reichel 22.07.2017, 01:01

Burg l „Seit der Schließung der Brauerei 1990 hat die Natur das Grundstück wiedererobert“, stellt Dagmar Bernewitz, im Fachbereich Stadtentwicklung und Bauen der Burger Stadtverwaltung für die Aktion „Altes Haus sucht Zukunft“ zuständig, fest. Wie könnte das 4500 Quadratmeter große Grundstück künftig genutzt werden? „Ob die vorhandene bauliche Substanz eine Sanierung/Umnutzung noch zulässt, müsste geprüft werden. Möglicherweise ist ein Komplettabriss notwendig“, so Bernewitz. Da rund um die ehemalige Brauerei Einfamilienhäuser in Bestand sind oder in den letzten Jahren neu errichtet wurden, wäre es doch denkbar, dass Brauerei-Gelände für den Einfamilienhausbau zu erschließen? „Mit Einschränkungen“, sagt Dagmar Bernewitz. Nach aktuellem Planungsrecht wären nur zwei, drei Eigenheime direkt an der Pulverstraße denkbar. „Für den hinteren Teil des Geländes gibt es keinen Bebauungsplan, dort müsste Baurecht erst geschaffen werden“, so Bernewitz.

Wird die Feldschlösschen-Brauerei abgerissen, würde ein weiterer Sachzeuge der Burger Brautradition verschwinden. „Das wäre natürlich schade“, sagt Gerry Weber von der Burger Steinhausbrauerei. Allerdings, so Weber weiter, sind die Gebäude nach seiner Kenntnis inzwischen so marode, dass man über kurz oder lang um einen Abriss nicht herumkommen werde. „Solche ehemaligen Fabrikgebäude bieten sich häufig für individuelles Wohnen an. In diesem Falle ist dafür der Zug wohl abgefahren“, so Weber weiter, der sich wünscht, das wenigstens die Gebäude der Brauerei „Krepper“ an der Magdeburger Straße erhalten und umgenutzt werden – so wie Weber selbst in die Steinhausbrauerei investiert und Burger Stadtgeschichte bewahrt hat.

Unmittelbar an das verwilderte Gelände der Feldschlößchenbrauerei grenzen die Flächen der Burger Gärtnerei Progatzky, so dass Bernd Progatzky quasi im Schatten der ruinösen Gebäude wohnt und arbeitet. „Zum Glück geht von den Gebäuden aktuell noch keine Gefahr für die Nachbarschaft aus“, sagt Progatzky, der aber weiß, dass sich das schnell ändern könnte. Deshalb müsste über kurz oder lang eine Lösung für das Grundstück her.

Den möglichen Abriss sieht aber auch Progatzky mit gemischten Gefühlen, nicht nur als Nachbar, der bis 1990 mit der Brauerei gelebt hat. Auch ein Stückchen Progatzky-Familiengeschichte steckt in den Gebäuden. Bernd Progatzkys Urgroßonkel Carl Progatzky, ein Gastwirt, gehörte zu den ersten Aktionären der 1890 erbauten Vereinsbrauerei, die 1900 den Namen Feldschlößchenbrauerei erhielt.

1889 hatten sich Burger Wirte zusammengesetzt, um den damals acht Brauereien in der Stadt Konkurrenz zu machen. Trotz dieser Brauereidichte wurde in Burg in den Gründerjahren auch noch auswärtiges Bier ausgeschenkt und getrunken – da kann man sich ausrechnen, dass der Bierkonsum in dieser Zeit viel höher als gegenwärtig war.

Am 1. Februar 1890 war das notwendige Kapital, 100 000 Reichsmark, vorhanden und der Bau der neuen Brauerei konnte starten. 165 Anteile zu 500 oder 1000 Mark waren ausgegeben worden. Das erste Vereins-Bier wurde dann am 18. Oktober 1890 verkostet. Das Freibier reichte, so ein Zeitungsbericht, für 300 durstige Kehlen.

Um den Absatz ihres Gerstensaftes zu sichern, kauften die Gesellschafter der Vereinsbrauerei bestehende Gaststätten oder ließen neue Gasthäuser erbauen, unter anderem in Burg, Dörnitz, Magdeburgerforth und Altengrabow. Sogar die Ziegelei in Schartau gehörte bis zum Ersten Weltkrieg der Vereins-/Feldschlößchenbrauerei.

Auch durch die Verdrängung kleinerer Brauereien vom Biermarkt hatte die Feldschlößchenbrauerei bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs ihre Blütezeit. 1940 sollte sogar ein neues Brauhaus auf dem Gelände an der Grabower-/Pulverstraße errichtet werden, was die Kriegswirtschaft verhinderte.

Nach Kriegsende 1945 wurde die Bierproduktion im Feldschlößchen schnell wieder aufgenommen. Die privatwirtschaftliche Ära der Brauerei endete 1948. Damals waren 30 Mitarbeiter beschäftigt.

Ende der 1960er Jahre wurde die Feldschlößchenbrauerei in das Kombinat VEB Vereinigte Brauereien Magdeburg übernommen. Zur Produktionspalette gehörten „Burger Feldschlößchen“, Faschingsbräu“, Bockbier, Vollbier Hell, Malzbier sowie diverse Limonaden.

Nachdem die Steinhaus-brauerei in der Schartauer Straße, in der zuvor nur noch alkoholfreie Getränke abgefüllt wurden, bereits 1983 ihre Pforten geschlossen hatte, machte 1990 mit der Feldschlößchenbrauerei die letzte Burger Brauerei, fast genau 100 Jahren nach dem ersten Anstich, dicht.