Jobcenter Eine neue Chance

Das Jobcenter bringt derzeit über das Programm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ knapp 100 Menschen für drei Jahre in Arbeit.

Von Simone Pötschke 04.01.2017, 03:00

Genthin/Burg/Loburg l Das Jobcenter Jerichower Land zählt zu den 105 Jobcentern, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus bundesweit 265 Bewerbungen für das Programm ausgewählt wurden.

Nach dem Start im Herbst 2015 resümiert Marco Gravert, Geschäftsführer des Jobcenters: „Die Anforderungen, die 100 Stellen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu besetzen, sind hoch, aber wir sind dicht dran, die vorgeschriebene Zahl zu erreichen.“

Über das Programm erhalten ALG-II-Empfänger, die entweder gesundheitliche Vermittlungshemmnisse besitzen oder alleinerziehend sind, eine dreijährige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Es zielt darauf ab, die Langzeitarbeitslosen wieder an den Arbeitsalltag heranzuführen und auszuloten, über welche Kompetenzen sie verfügen. Marco Gravert spricht von einem guten Programm, das es ermögliche, für die Menschen vernünftige Stellen, wenn auch auf drei Jahre befristet, zu schaffen. Ihnen würde damit das Gefühl vermittelt, sich wieder in die Gesellschaft einzubringen und etwas Nützliches zu leisten.

Mit jeder besetzten Stelle verbindet sich eine ganz persönliche Geschichte. Mittlerweile sind viele „SOTAS“ aus dem Alltag der Träger nicht mehr wegzudenken.

Frank Homann (53) aus Genthin ist einer von drei Mitarbeitern, die über SOTA beim Möbellager der Diakonie einen Job bekommen haben. Er arbeitete in der Zuckerfabrik, dann in einer Trockenbaufirma, wurde dort entlassen. Im Möbellager reinigt er abgegebene Möbel, repariert sie und liefert sie aus. „Ich bin sehr froh, diese Arbeit zu haben. Ich will nicht zu Hause sitzen“, sagt er. Christoph Grothe von der Diakonie weiß um den Wert der Arbeit, die SOTA-Beschäftigten, insgesamt sind es drei, erbringen. „Sie helfen uns, das Möbellager in Genthin aufrecht zu erhalten.“

„Angekommen“ ist auch die Burgerin Antje Schlenther (54) in der Burger Diakonie an der Grünstraße. Das Haus leistet mit der Tafel, der Möbelweitergabe der Kleiderkammer und der Suppenküche direkte Hilfe am Menschen. Antje Schlenther, alleinerziehende Mutter von vier Kindern, hat ihren Platz in der Suppenküche gefunden.

Sie ist eine lebensbejahende, temperamentvolle Frau, die während der Jahre ihrer langen Arbeitslosigkeit ehrenamtlich im Seniorenheim tätig war. „Alles, was sozial ist, ist mein Ding“, ist ihr Credo. Sie sei vor ihrem ersten Arbeitstag in der Suppenküche aufgeregt gewesen, aber sie habe sich schnell in die Abläufe eingefunden. Zunächst sei die neue Arbeit anstrengend gewesen. Aber es sei einfach ein schönes Gefühl zu wissen, was sie täglich leiste.

Ortswechsel. In der kleinen Werkstatt der Verkehrswacht Jerichower Land in Burg an der Magdeburger Straße herrscht beste Stimmung. Bernd Woszczyk und Ralf Seitel sind damit beschäftigt, Fahrräder zu reparieren und wieder verkehrstüchtig zu machen. Diese Arbeit, dazu gehört auch die Betreuung von Klassen im Verkehrsgarten, mache ihnen einen Riesenspaß. „Ich hätte nie gedacht, dass wir auf dem Arbeitsmarkt noch einmal so ein Glück haben und eine Arbeit bekommen. Von uns aus kann das so gehen bis zur Rente“, sagt Ralf Seitel.

Zum Team gehört auch Andrea Schunorth, die verantwortlich ist für die Kinder am Fahrsimulator. „Dass mir die Arbeit mit Kindern zusagt, hätte ich früher nicht gedacht, freut sich die gelernte Hauswirtschafterin. Dass das SOTA-Programm einen guten Ansatz biete, bestätigt auch Anke Pannwitz vom Träger, der Verkehrswacht. „Wir brauchen diese Leute.“

Über SOTA sind auch Mandy Reimann, Detlef Rothe und Steffen Ärtelt bei der Burger Begegnungsstätte Siedlung Ost, der Träger ist der Kreis-, Kinder- und Jugendring, vorübergehend in Lohn und Brot gekommen. „Die Arbeit gibt mir wieder einen vernünftigen Tagesablauf. Es ist schön, wieder gebraucht zu werden“.

Ausbildung, Umschulung, Krankheit, zig aussichtslose Bewerbungen, Ein-Euro-Job, das alles hat Detlef Rothe hinter sich. „Jetzt lebe ich besser“, sagt er.

Und auch Steffen Ärtelt stimmt ein: „Ich bin sehr gern hier. Man lebt hier nicht in den Tag hinein.“

Auch im Loburger Verein „Dampfzugbetriebsgemeinschaft“ hat das Jobcenter einen Träger gefunden, der seit Dezember 2015 gleich vier SOTA-Beschäftigte in Arbeit gebracht hat. Zwei weitere sollen Anfang des Jahres noch dazustoßen. Marino Werthmann und Andreas Rodenbeck – beide „artfremd“ in Sachen Eisenbahn, versuchen seit 2015, hier eine alte Dampflok in Gange zu bekommen. Sie reinigen den Kessel, bereiten Ersatzteile vor, entrosten und streichen. Seit November 2016 wurde die Wochenarbeitszeit auf 25 Stunden aufgestockt, ab November 2017 sind es 30 Wochenstunden. Vom Sinn der SOTA-Maßnahme sind die Männer nur halb überzeugt: Sicher sei es für das eigene Selbstwertgefühl gut, hier zu arbeiten. Dass aber das Schrauben an alten Dampfloks noch einmal Türen zum ersten Arbeitsmarkt öffnet, mag man nicht allzu laut hoffen.