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Lkw-Geschichten Mit dem Trabi unterm Anhänger durch

Teile eines Fertighauses sollte Karl-Heinz Gaul 1990 nach Prettin liefern, als er in Leitzkau merkte, dass der Anhänger defekt ist.

Von Manuela Langner 23.05.2016, 22:01

Leitzkau l Karl-Heinz Gaul lenkte seinen orangefarbenen Pritschen-Lkw mit Anhänger am frühen Nachmittag des 20. September 1990 durch Leitzkau. Sein Blick in den Rückspiegel war Routine. Was er jedoch in der Kurve auf Höhe des Kiosk sah, ließ ihn sofort anhalten und die Warnblinkanlage einschalten. „Die Hauswände hingen schief und wurden nur noch durch die Gurte gehalten. Ein Rad schwebte schon in der Luft.“ Karl-Heinz Gaul erinnert sich heute noch an das ganze Dilemma, als wäre es gestern gewesen. „Ich konnte keinen Schritt mehr fahren.“ Der Bock, gegen den die Hauswände auf dem Anhänger lehnen sollten, war gebrochen.

Karl-Heinz Gaul wusste, dass ein zweiter Lastzug seines Arbeitgebers, Finger Haus aus Bottendorf in Hessen, etwa zwei Stunden hinter ihm fuhr. So lange konnte er jedoch unmöglich warten.

Zu einer Zeit, als Mobiltelefone nicht in jeder Hosentasche steckten und selbst Hausanschlüsse noch eine Seltenheit waren, klopfte er an die Türen der umliegenden Häuser und hatte Glück. Das zweite Haus verfügte über ein Telefon und die Frau wollte ihm gern helfen. Sie probierte den ganzen Nachmittag lang, sein Ziel in Prettin oder die Firma in Hessen zu erreichen. Ohne Erfolg. Das Telefonnetz war 1990 alles andere als zuverlässig.

Wer könnte ihm vor Ort helfen? Der Name Bodo Herfurth fiel. Es ist bis heute der einzige Name seiner Helfer, den Karl-Heinz Gaul kennt. „Er war Kumpel auf den ersten Blick“, erinnert er sich. „Er war sofort bereit, mir aus meiner sehr, sehr misslichen Lage zu helfen.“

Karl-Heinz Gaul hatte überlegt, den kaputten Anhänger in Leitzkau stehen zu lassen, mit dem Lkw nach Prettin zu fahren und von dort einen Kran zu holen. Aber die Hin- und Rückfahrt würde mehr als zwei Stunden dauern. „Was ist, wenn der Gurt reißt und die Wände auf die Straße kippen?“ Das war keine Lösung.

Er hängte den Lkw trotzdem ab, aber um mit Bodo Herfurth zu einer Baustelle zu fahren, wo Männer der LPG „Ernst Thälmann“ arbeiteten. „Sie erklärten sich sofort bereit, mir nach Feierabend zu helfen“, erzählt Karl-Heinz Gaul. Vorausgesetzt, ihr Chef sei damit einverstanden, aber der hatte nichts dagegen einzuwenden.

Inzwischen war die Polizei an der Unfallstelle eingetroffen und sperrte die Fernverkehrsstraße. Bislang hatten die Lkw warten müssen, bis der Gegenverkehr frei war, um den Anhänger passieren zu können. „Mit ihren kleinen Trabis fuhren sie drunter durch.“ Der Verkehr wurde umgeleitet und damit auch Karl-Heinz Gauls Kollegen, die auf ihrer Fahrt von Bottendorf (zwischen Edersee und Marburg) über Kassel, Salzgitter, Göttingen, Braunschweig, Helmstedt, Burg und schließlich auf die 184 in Richtung Zerbst von seinen Problemen nichts mitbekamen, sich nur wunderten, weshalb er nicht längst in Prettin eingetroffen war und immer noch auf sich warten ließ ...

An der Kurve in Leitzkau rangierte er seinen Lkw quer zur Fahrbahn. Die Gurte wurden gelöst und die Wände mit einem LPG-Kran entladen und gegen eine Wand gestellt. Der Anhänger wurde zur LPG gebracht und dort instandgesetzt. Zurück in der Kurve wurden die Hauswände wieder auf den Anhänger gehoben, die Ladung gesichert „und um 21.30 Uhr konnte ich mich auf den Weg machen.“

Als er in Prettin (bei Wittenberg) ankam, war das Richtfest gelaufen und das Spanferkel gegessen. Seine Kollegen diskutierten damals, „wo sich Charly wohl verfahren habe“ und glaubten bis heute nicht an den Zwischenfall in Leitzkau.

Karl-Heinz Gaul hat die Hilfsbereitschaft der Leute vor Ort aber nicht vergessen. In der vorigen Woche machte er sich auf den Weg nach Leitzkau, fragte im alten Büro der LPG nach, klingelte bei Bodo Herfurth und erkundigte sich bei Passanten. Er wurde nicht fündig, obwohl er sich gerne noch einmal persönlich bei seinen Helfern vom 20. September 1990 bedanken möchte. „Wir, Ost und West, sind schon an dem Tag zusammengewachsen. Danke, danke.“

Karl-Heinz Gaul freut sich, wenn sich ehemalige Helfer oder Leute, die Auskunft geben können, bei ihm melden. Er ist telefonisch unter 0645/ 144 29 (Frau Kohleder) zu erreichen.