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Schule Manchen Eltern ist Bildung gleichgültig

Massive Probleme gibt es an der Pareyer Sekundarschule mit 40 rumänischen Schülern. Im Gespräch: GEW-Kreisvorsitzender Ingo Doßmann.

Von Petra Waschescio 31.05.2017, 23:01

Volksstimme: Herr Doßmann, die Sekundarschule in Parey hat Alarm geschlagen. Knapp 40 der insgesamt 290 Schüler kommen aus Rumänien und haben erhebliche Defizite in der deutschen Sprache. Die Lehrer klagen zudem über unangemessenes Verhalten der männlichen Schüler gegenüber weiblichen Lehrkräften. Sie fordern von Land und Kreis eine schnelle Lösung durch Sprachlehrer. Können Sie den Notruf nachvollziehen?

Ingo Doßmann: Tatsächlich wurden Arbeitsstellen der Sprachlehrer abgebaut. Man hat die befristeten Arbeitsverträge nicht verlängert. Aber Sprachlehrer sind hier nicht die Lösung des Problems. Die rumänischen Kinder haben darauf keinen Anspruch. Für EU-Bürger sieht das Gesetz keine Förderung vor. Vor diesem Problem verschließt man auf Landesebene die Augen. Das hat fatale Folgen. Man grenzt die Schüler aus. Wozu Ausgrenzung führt, kann man schon heute zum Beispiel im Ruhrpott sehen. Aber Schule kann das aus sich heraus alleine nicht lösen.

Wo liegt das Problem?

Durch die Umsetzung der bedarfsmindernden Maßnahmen des Bildungsministeriums vorwiegend an Grund- und Sekundarschulen verschlechtert sich die Zuweisung von Lehrerwochenstunden. Die Sekundarschule Parey verliert dadurch 17 Lehrerwochenstunden. Wenn die Anforderungen ansonsten gleich bleiben, kann das nur durch Einschnitte kompensiert werden. Und das macht den Umgang mit dem Problem nochmal schwerer.

Können Sie das näher erklären?

Mit den Zuweisungen an Lehrerstunden werden auch die Förderstunden abgedeckt. Das heißt, die Schule hat ein bestimmtes Kontingent an Stunden und kann entscheiden, wie viel sie davon für Förderunterricht einsetzt. Wenn die Zuweisungen sinken, wird auch der Spielraum für Förderstunden enger.

Was fordern Sie?

Die Schulen brauchen stabile Zuweisungen. Im Moment arbeiten die Schulen mit einem Inklusionspool, der war für drei Jahre konstant. Aber die Situation war damals, als der festgelegt wurde, anders. Das heißt, der Pool ist veraltet. Um vernünftig arbeiten zu können, müsste dieser Pool stundenmäßig aufgestockt werden. Dieser Pool müsste auch die Förderung von Kindern aus EU-Staaten berücksichtigen. Das hat erstmal nichts damit zu tun, wie die Einstellung der Schüler und Eltern zur Schule ist.

Schulleiter und Lehrer kritisieren in deutlichen Worten das ablehnende Verhalten der rumänischen Schüler gegenüber weiblichen Lehrkräften und das Desinteresse der Eltern an den bestehenden Problemen. Wie bewerten Sie diese Kritik?

Das Problem ist nicht unbekannt. Es gab den Migrationsgipfel in Genthin. Der Landkreis hat bestimmte Pflichten zum Beispiel im Wohnumfeld etwas zu unternehmen. Aber für die schulische Versorgung mit Lehrerwochenstunden ist der Landkreis nicht zuständig. Gleichwohl hat sich der Landrat in einem Brief an das Bildungsministerium gewandt und auf die Probleme deutlich aufmerksam gemacht. Grundsätzlich gilt aber: Kinder sind ein Produkt der Eltern. Die Eltern weisen den Weg. Das kann man zum Beispiel bei den syrischen Flüchtlingen gut sehen. Viele legen Wert auf Bildung, einige nicht. Das ist im Übrigen genauso wie bei deutschen Eltern. Es gibt leider immer Eltern, die sind gleichgültig gegenüber schulischer Bildung. Das ist zu verurteilen und zwar unabhängig davon, woher die Eltern stammen. Ich verurteile auch deutsche Eltern, die sich nicht darum kümmern. Es gibt eine Schulpflicht. Allerdings habe ich subjektiv den Eindruck, dass die rumänischen Eltern sehr gleichgültig gegenüber schulischer Bildung sind. Ich bin eigentlich ein Befürworter der europäischen Idee, aber wer so unwillig reagiert, wer darauf aus ist, nur die soziale Seite des Gastlandes abzuschöpfen, bei dem sollte sich das Gastland schon überlegen, wie man dagegen vorgehen kann.

Welche Auswirkungen haben die Missstände wie in Parey für eine Schule?

Schüler, die sozial auffällig sind, gucken sich negative Muster ab. Negatives Verhalten kann sich hoch schaukeln. Und wenn sich ein Lehrer um Kinder kümmert, die nicht mitkommen, fehlt die Zeit für andere Kinder. Ich stelle mir das ungeheuer schwer vor, da noch etwas zu machen. Die Lehrer sind dauerhaft überlastet.

Aber was kann die Schule dagegen tun, solange der Inklusionspool nicht angehoben wird und die Kürzungen durchgesetzt werden?

Klar ist, es gibt eine dienstliche Fürsorgepflicht des Landes gegenüber seinen Beschäftigten. Das heißt, der Dienstherr – in dem Fall das Land Sachsen-Anhalt - muss etwas tun, wenn die Lehrer dauerhaft überlastet sind. Jeder Lehrer hat die Pflicht und die Möglichkeit, Überlastungsanzeigen auf dem Dienstweg an das Landesschulamt zu senden. Eltern sollten ihre demokratischen Rechte in dieser Gesellschaft ausschöpfen. Dazu können die Sprechstunden der Landtagsabgeordneten genutzt werden, um Missstände aufzuzeigen. Man kann sich an die bildungspolitischen Sprecher der Parteien wenden und es steht Eltern auch offen, sich an den Petitionsausschuss des Landtages zu wenden. Langfristig ist wichtig, die Beteiligung an der Volksinitiative, die die Einstellung von 1000 Lehrern und 400 pädagogischen Mitarbeitern fordert.