1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Burg
  6. >
  7. Ex-Straathof-Stall will Vorreiter sein

Schweinezucht Ex-Straathof-Stall will Vorreiter sein

Ferkelzüchter Straathof darf weiter keine Schweine halten. Jetzt will es sein Nachfolger in einem Genthiner Stall teilweise besser machen.

Von Franziska Ellrich 22.10.2016, 09:00

Genthin l In den gleichen Ställen, in denen vor zwei Jahren noch Veterinärmediziner unzulässige Amputationen, nicht behandelte Infektionskrankheiten und sinnlos getötete Ferkel vorfanden, soll jetzt ein neues Konzept den Sauen mehr Platz einräumen. So heißt es zumindest in einer aktuellen Mitteilung der LFD Holding. 2014 wurde der Genthiner Stall wegen des Verdachts der Tierquälerei durchsucht.

Was die Veterinärmediziner dabei entdeckten: Ein Großteil der Kastenstände, in denen die Sauen während sie trächtig sind oder die Ferkel säugen eingesperrt sind, sei nicht breit genug gewesen. Weder konnten sich die Tiere darin ungehindert hinlegen noch aufstehen. Zudem seien die Tiere zu lang in den schmalen Ständen eingesperrt gewesen. Dafür gab es vom Landkreis ein Zwangsgeld. Laut Oberverwaltungsgericht zu Recht.

Das Problem mit den Kastenständen: In der Verordnung für die Haltung von Nutztieren ist vorgegeben, dass es den Schweinen möglich sein muss, ungehindert aufzustehen oder sich hinzulegen. Im Handbuch für die Tierschutzüberwachung ist ein Mindestmaß von 70 Zentimetern Breite zur Orientierung angegeben. Doch jede Sau hat eine andere Körperhöhe.

Unter anderem in dem Genthiner Schweinestall hat man jetzt einer Pressemitteilung zufolge reagiert. Der Zuchtbetrieb war einst Tochter der Straathof Holding und gehört nun zur LFD Holding. Ein Jurist übernahm als Treuhänder die volle Verfügungsgewalt über die Vermögensanteile von Adrianus Straathof. Straathof zählt zu Europas größten Schweinezüchtern und bekam vom Landkreis Jerichower Land ein Tierhaltungsverbot auferlegt.

„Kastenstände für Sauen sind in der Öffentlichkeit umstritten“, heißt es von Seiten der LFD Holding. Deswegen solle jetzt die Zeit der Sauen in den Kastenständen von vormals maximal 28 Tagen pro Durchgang auf null verringert werden. Das kündigte die Gesellschaft an. Und veröffentlichte ein Video direkt aus dem Stall auf der Firmenhomepage. Unter dem Titel: Wege aus dem Kastenstand.

Darin läuft der Geschäftsführer der LFD-Holding Jörn Göbert durch einen sauberen Stall, im Hintergrund die quiekenden Ferkel. Der Sprecher im Video fragt: „Wie eingepfercht ist die Sau bei der LFD Holding wirklich?“ Und die Antwort folgt prompt: „Die Sauen können in den Kastenstand, müssen aber nicht.“ Erst, wenn es an die Besamung geht, dann habe die Sau keine Wahl mehr. Der Sprecher: „Man darf nicht nur an die Tiere denken.“ Die Sicherheit der Mitarbeiter, die die Besamung vornehmen, spiele dabei eben auch eine wichtige Rolle.

Zeitnah soll die Sau dann wieder aus dem Kastenstand raus. In den Teil des Stalls, in dem die LFD Holding jetzt aus zwei Kastenständen einen breiteren und offenen Kastenstand gemacht hat. So könnten sich die Tiere in der Gruppe aufhalten - aber auch Kämpfen aus dem Weg gehen und sich in den verdoppelten Kastenständen zurückziehen.

Denn: „Rauschende Sauen können ziemlich brutal sein und bei den Ringkämpfen sich gegenseitig schwere Verletzungen zufügen“, erklärt Christian Apprecht vom Bauernverband Sachsen-Anhalt auf Volksstimme-Nachfrage. Was sagt man beim Verband zu den Neuerungen im ehemaligen Straathof-Stall? „Die Kastenstände in der Sauenhaltung sind in Teilen der Gesellschaft nicht gewollt“, sagt Sprecher Christian Apprecht. Auch bei den Mitgliedern seines Verbandes ist weniger Zeit für die Sauen in den Kastenständen offenbar ein Thema.

19 Sauenhalter im Land beteiligen sich Christian Apprecht zufolge an einem bundesweit einmaligen Pilotprojekt. Mit dem Ziel: Die Tage für die Schweine in den Kastenständen zu minimieren oder sogar ganz darauf zu verzichten. Wie das in Zukunft dann aussehen kann, darf sich die Volksstimme demnächst einmal in einem Stall ganz genau ansehen. Und wird dann darüber berichten.

Die LFD-Holding ist allerdings nicht Teil des Pilotprojektes. „Die LFD geht hier ihren eigenen Weg“, erklärt ein Sprecher des Unternehmens. Nach eigener Auffassung sei die Ex-Straathof-Gesellschaft sogar bereits einen Schritt weiter in der „Reduktion von Kastenständen“. Geschäftsführer der LFD-Holding Jörn Göbert spricht von einer „guten Kompromisslösung“, die für die Branche händelbar sei. Das bedeutet: Mehr Platz mit wenig Aufwand.

Statt über die Größe der alten Kastenstände zu streiten, sei es Göbert zufolge doch besser, die Zeit zu verringern. Das sieht die Grünen-Landtagsabgeordnete Dorothea Frederking nicht ganz so. Sie beschäftigte sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Schweinezucht bei Straathof. Mit Blick auf die aktuelle Mitteilung der LFD Holding spricht die Grünen-Politikerin von „Propaganda“. Das Video würde den Menschen nur etwas vorgaukeln. Denn genau das „Gegenteil von Tierschutz“ sei in der Vergangenheit der Fall in den Straathof-Ställen gewesen. Dass die Sauenhalter in Sachsen-Anhalt die Zeit in den Ständen verkürzen wollen, findet die Grünenpolitikerin gut. Doch: „Darüber hinaus muss die rechtliche Vorgabe erfüllt sein, dass die Sau ihre Beine ausstrecken kann“, so Frederking. Wenn allein die Zeit verringert wird, aber die aktuelle Breite der Kastenstände bleibt, reiche das nicht aus.

Nach den Ankündigungen der LFD-Holding drängt sich die Frage auf: Läuft denn in dem Gladauer Betrieb jetzt wirklich alles besser als noch vor zwei Jahren? Damals wurden auf den Kontrolllisten der Veterinärmediziner lahmende Schweine, abgerissene Klauen, verletzte Schultern, tiefe Wunden im Genital- und Darmbereich sowie Leisten- und Hodenbrüche vermerkt. Vom Veterinäramt des Landkreises gab es keine Auskunft zu aktuellen Kontrollergebnissen. Aus dem Landesverwaltungsamt heißt es: Bei einer Kontrolle im August wegen Geruchs- und Lüftungsbeschwerden konnte keine Geruchsbelästigung festgestellt werden, die Lüftungsanlagen waren in Betrieb. Was die genehmigten Tierplätze betrifft, soll sich der Betrieb an die genehmigten Tierplätze gehalten haben. Um wie viele es sich dabei genau handelt, verrät das Landesverwaltungsamt allerdings nicht.