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Magazin Mit Liebeserklärung ans verträumte Kalbe

Kalbe hat eine Klatsche erhalten. Die Rede ist von Marko Kühnels „Fliegenklatsche“, einem „Untergrundmagazin für von innen Tätowierte“.

Von Conny Kaiser 06.01.2016, 01:00

Kalbe. Der Mann hat Humor. Marko Kühnel ist sich durchaus bewusst, dass sein links von der Mitte angesiedeltes und künstlerisch angehauchtes Magazin „Fliegenklatsche“ nicht jeden Geschmack treffen dürfte. Wer sich am Ende ärgert, dass er sich das Heft überhaupt zugelegt hat, kann sich daraus ja einen Papierflieger bauen. Die Bastelanleitung gibt es gratis dazu.

Doch die wenigsten werden sie wohl in Anspruch nehmen. Denn die „Fliegenklatsche“ hat durchaus Spannendes zu bieten. Die Geschichten, die sich darin finden, liefern einen Einblick in das Seelenleben der Autoren. Denn wie bereits bei der ersten Ausgabe hat sich Marko Kühnel auch diesmal wieder bei guten Bekannten, Nachbarn und Freunden bedient. Er hat sie angeschrieben und sie gefragt, ob ihnen etwas zum Thema „Auf in die Abgründe“ einfällt. Das nämlich spiegelt laut Marko Kühnel die gesellschaftlichen Entwicklungen wieder, die in ihm selbst im zurückliegenden Jahr eine leicht pessimistische Grundhaltung ausgelöst haben. In einigen Texten, die dazu bei ihm angekommen sind, geht aber dennoch die Sonne auf.

Zum Beispiel in jener Liebeserklärung, welche die Mittvierzigerin Ilka Erl an Kalbe geschrieben hat. Sie, die in dem verschlafenen Städtchen aufgewachsen ist, der es dort aber irgendwann zu eng wurde, besinnt sich nach Jahrzehnten in der Großstadt Hamburg wieder verstärkt auf die alte Heimat und deren Vorzüge – und hat sich dort inzwischen sogar ein eigenes, kleines Domizil zugelegt, ganz in der Nähe von Familie Kühnel. Ein anderer Nachbar, Jens Eichenberg, hat hingegen ein amüsantes Gedicht beigesteuert.

Zuarbeiten hat Marko Kühnel, der sich dem Künstlerstadt-Projekt sehr verbunden fühlt, aber auch von Bloggern, Fotografen und ehemaligen Stipendiaten erhalten. Einige von denen sind inzwischen zu guten Freunden geworden und haben mit eigenen Geschichten zum Entstehen der zweiten „Fliegenklatsche“ beigetragen.

Ohne das Künstlerstadt-Projekt, so erinnert Marko Kühnel, hätte es wahrscheinlich schon die Erstausgabe des Magazins nicht gegeben. Zwar sei die Idee dazu bereits vor ein paar Jahren mit einigen Kumpels geboren worden – gemeinsam wollte man auf diese Weise seinen „kreativen Spieltrieb ausleben“ – doch sei das Ganze dann erst einmal wieder ad acta gelegt worden. Vor allem berufliche und familiäre Gründe hätten dabei eine Rolle gespielt, berichtet der heute 40-Jährige.

Als er dann beim Künstlerstadt-Sommercampus 2014 am Lagerfeuer von der Idee eines eigenen Magazins erzählt habe, da seien es die Stipendiatinnen Lena Teresa Flohrschütz und Beate Körner gewesen, die ihn ermutigt hätten, das Vorhaben wieder aufzugreifen. Und er habe dann beim Erstellen der Erstausgabe auch viel Unterstützung sowie manch wertvollen Gestaltungstipp von Künstlerstadt-Stipendiaten erhalten, berichtet der zweifache Familienvater, der im Hauptberuf behinderte Menschen betreut und der das, was er da macht, sehr liebt.

Aber dennoch war schnell klar, dass es irgendwann eine Zweitauflage der „Fliegenklatsche“ geben soll. Ab Oktober wurde daran gearbeitet. Und in Sachen Layout war dann auch gar keine großartige Hilfe mehr nötig. Denn Marko Kühnel, der mal einige Semester Industriedesign studiert hat, hatte relativ genaue Vorstellungen davon, wie das Heft aussehen soll.

Und natürlich hat er selbst auch Texte beigesteuert, wobei der wohl bewegendste ebenfalls aus seiner Feder stammt. Denn der Kalbenser hat sich von Shakila und Ajmal Sahak schildern lassen, wie dramatisch für sie und ihre beiden kleinen Söhne die Flucht aus Afghanistan verlaufen ist. Neun lange Monate sollte es dauern, bis die Familie endlich ein neues Zuhause fand – in der kleinen Milde-Stadt.

Aber auch der Beitrag „Darauf können Sie Gift nehmen“ geht auf das Konto des Magazinherausgebers. Darin beschäftigt er sich mit der Industrialisierung der Landwirtschaft – ein Thema, das den überzeugten Vegetarier Marko Kühnel sehr bewegt. Nicht von ungefähr endet das Heft mit einer wahrhaft bitteren Pille.

Illustriert worden ist die „Fliegenklatsche“ mit Fotos, mit Collagen, aber auch mit gemalten und gezeichneten Bildern, von denen gleich mehrere Karola Pfandt erstellt hat. Die Marburgerin ist in Sachen Campus-Teilnahme eine Wiederholungstäterin – nicht zuletzt, weil sie in Kalbe so nette Menschen kennen gelernt hat. Menschen wie Marko Kühnel und seine Frau Nicole, die das, was ihr Mann da in seiner Freizeit treibt, klasse findet. Denn sie weiß, dass er neben seinen sonstigen Aufgaben auch immer wieder kreative Beschäftigung braucht. Und wenn dabei dann so etwas Interessantes wie die „Fliegenklatsche“ herauskommt, umso besser. Das Magazin ist in verschiedenen Läden und Restaurants gegen die Abgabe einer kleinen Spende erhältlich.