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Gerichtsverhandlung Zeuge angetrunken beim Prozess

Weil er mit 2,04 Promille Alkohol im Blut Fahrrad gefahren und einen Mann geschlagen haben soll, stand ein 42-Jähriger vor Gericht.

Von Ilka Marten 21.01.2016, 02:00

Gardelegen l Ein Abend, der mit einem TV-Fußballabend in der Kneipe begann, endete im Saal des Gardeleger Amtsgerichtes. Doch der angeklagte Gardeleger kam mit einer Verfahrens- einstellung davon – und die verdankte er auch dem Mann, dem er sehr wahrscheinlich einen Schlag verpasst hatte, der jedoch bei der Verhandlung angetrunken im Zeugenstand vor dem Strafrichter saß. Es war ein Freitagabend im September 2015: Der Angeklagte (42) hatte seinen Abend beim Fußballschauen in einer Gardeleger Gaststätte verbracht. Danach ging es noch in eine andere Kneipe. Doch Schluss war immer noch nicht.

Er habe sein Fahrrad dann die Marktstraße entlang geschoben. „Es war ja da so eng, weil da Baucontainer standen und Autos parkten.“ Er sei nicht gefahren, betonte er mehrfach. Im Spätkauf wollte er um kurz nach Mitternacht dann noch „einen Absacker trinken“. Doch dazu kam es nicht, stattdessen zu einer Pöbelei mit einem 36-Jährigen, den er schon länger kannte. „Wir hatten schon mal verbale Auseinandersetzungen“, schildert der Angeklagte. Warum wird jedoch nicht klar. Er habe eigentlich nur in den Laden gehen wollen, da habe sich der 36-Jährige vor ihm aufgebaut, „und ich habe ihn dann grob beiseite geschoben“, schildert der Mann. Nein, er habe ihn nicht geschlagen. Als er jedoch im Gerichtssaal zeigt, wie sein „grobes Beiseiteschieben“ aussah, wird klar, dass ein Schlag nicht ausgeschlossen scheint.

Fest steht: Der Angeklagte war in dieser Nacht extrem betrunken. Zwei Stunden nach der Tat wurde noch ein Wert von 2,04 Promille Alkohol in seinem Blut ermittelt. Dass er Alkoholiker ist, streitet der arbeitslose Gardeleger ab. Darauf Richter Axel Bormann: „Wenn wir 2,04 Promille haben, liegen wir auf der ITS und freuen uns, wenn die Vitalfunktionen langsam wiederkommen.“ Wer nicht sauferfahren sei, schaffe es nicht, mit so einem Wert sein Fahrrad zu schieben oder gar zu fahren. Licht ins Dunkel dieser Nacht soll nun der Zeuge (36) bringen, der den Schlag abbekommen hatte. Doch daraus wird nichts. In sehr unsicherer Weise schildert er den Abend. Der Angeklagte sei mit dem Fahrrad angefahren gekommen. Er selbst habe an der Seite auf der Treppe gestanden, als der 42-Jährige ihn zweimal geschlagen habe. Dabei sei er mit dem Hinterkopf an die Wand geschlagen.

Während der Zeuge aussagt, will der Richter wissen, ob er getrunken habe – es ist Dienstag, 9.30 Uhr. „Ja, gestern Abend zwei Bier.“ Bormann zweifelt an der Aussage und lässt ihn nach vorn kommen, damit der Mann ihn anhaucht: „Das soll von zwei Bier gestern Abend sein?“ Als der Zeuge dann noch einmal nach vorn kommt, um die Örtlichkeiten am Computerbildschirm zu zeigen, reicht es dem Richter. „Mensch, Sie stinken nach Alkohol!“ Bormann schickt den Zeugen vor die Saaltür und ruft die Polizei für einen Atemalkoholtest. Währenddessen schildert ein zweiter Zeuge (35) die Tat am Spätkauf. Auch dieser Mann ist sich sicher, dass der Angeklagte mit dem Fahrrad gefahren ist und es nicht geschoben hat. Der 35-Jährige ist sauer, dass er vor Gericht erscheinen muss, „nur weil irgendwelche Leute im Suff nicht klar kommen“.

Derweil ist ein Polizeibeamter da, der den ersten Zeugen zum Atemalkoholtest bittet. Das Ergebnis: 0,9 Promille. Bormann ist entsetzt: „Das ist eine Missachtung des Gerichts, mehr Missachtung gibt es nicht.“ Der 36-Jährige nimmt das recht ungerührt zu Kenntnis. Nur knapp entgeht der Mann einem Ordnungsgeld. Das Verfahren wegen Trunkenheit im Verkehr und Körperverletzung gegen den Angeklagten, der bisher ohne Eintrag im Strafregister ist, stellt der Richter schließlich ein.