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Gerichtsverfahren Briefe in der Mülltonne entsorgt

Er hatte ihm anvertraute Post weggeworfen. Das Verfahren gegen einen 35-Jährigen wurde allerdings gegen eine Geldauflage eingestellt.

Von Gesine Biermann 10.05.2016, 03:00

Gardelegen l Im Sommer 2015 blieb in Gardelegen wohl so mancher Briefkasten leer. Keine Post vom Finanzamt, keine Rechnungen – aber auch kein sehnsüchtig erwarteter Brief von den Kindern und möglicherweise auch nicht die dringend benötigten Reiseunterlagen für den gebuchten Urlaub.

Dafür, dass wohl etliche Menschen umsonst auf ihre Post warteten, sie am Ende nicht rechtzeitig ankam, hatte ein 35-Jähriger gesorgt. Der Mitarbeiter eines privaten Medienunternehmens, der von seinem Arbeitgeber mit der Zustellung von Briefen betraut war, hatte einen ganzen Stapel derselben nämlich eben mal entsorgt. Anstatt sie zuzustellen hatte er sie einfach in seine Papiertonne geworfen. Dafür musste sich der junge Mann nun vor dem Gardeleger Amtsgericht verantworten.

Die Anklage lautete: Verstoß gegen das Briefgeheimnis. Laut Anklageschrift, die die Staatsanwältin verlas, hatte er am 13. August des vergangenen Jahres einen „Stapel mit 41 Briefen“ weggeworfen. Damit waren auch 41 Einzelfälle angeklagt. Und die Sache an sich gab der Zusteller auch sofort zu: „Was soll ich sagen: Ja, das ist passiert.“ Allerdings habe er das nicht geplant. Er habe sich nur einfach nicht anders zu helfen gewusst: „Die ganzen Briefe waren in meinem Auto unter den Sitz gerutscht.“ Das habe er aber erst viel später bemerkt. „Und dann habe ich einfach Angst gehabt, bei der Arbeit Bescheid zu sagen, dass ich die nicht rechtzeitig zugestellt habe.“

Denn die Post sei ja deutlich „über den Termin“ gewesen. Und so habe er sie einfach weggeworfen. „Ich weiß, das war total unschlau, aber ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte.“ Mit so viel Reue und Selbsterkenntnis machte der zerknirschte Angeklagte dann sogar auf Strafrichter Axel Bormann einen guten Eindruck. Auch wenn der die Reaktion des Mannes natürlich nicht nachvollziehen konnte. Bormann: „Das ist alles ein bisschen komisch und ihr Wort unschlau trifft es ganz genau!“

Da er alle Punkte eingeräumt hatte, konnte die Beweisführung dann auch beendet werden. Eines interessierte Bormann dann an der Angelegenheit aber doch noch: „Was mich wundert ist: Sie sind nach einer solchen Sache immer noch in der Firma?“, fragte er kopfschüttelnd nach. Der Angeklagte bestätigte das. „Ich habe aber natürlich einen auf den Deckel bekommen“, betonte er. Der Arbeitgeber habe sein Verhalten abgemahnt. „Und stellen Sie sich das jetzt nicht so einfach vor!“ Bei der Arbeit sei er seither nämlich „nur noch unter Kontrolle“. Über jeden Schritt müsse er Rechenschaft ablegen.

Nach Absprache mit der Staatsanwältin stellte Axel Bormann das Verfahren gegen den Mann schließlich ein. Allerdings muss er die Gerichtskosten selbst bezahlen und auch eine Geldauflage legte ihm das Gericht auf. Diese soll an den Ambulanten Hospizverein Gardelegen gehen. Deren Arbeit „eine gute und wichtige Sache“ sei, so Bormann. Die Mitglieder des Vereines können sich auf eine Zahlung von 500 Euro freuen, die der Angeklagte in fünf monatlichen Raten zahlen darf.

Übrigens: Auch wenn er noch Zusteller ist – unter den Sitz rutschen können ihm die anvertrauten Postsendungen nicht mehr. Da er kürzlich wegen Trunkenheit am Steuer seinen Führerschein abgeben musste, kann er als Zusteller derzeit nämlich nicht mehr selbst Auto fahren.