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Abschied gefeiert Ein Mexikaner lernt die Altmark lieben

Ein Jahr hat er die Volleyballsektion des Sportvereins Brunau verstärkt. Nun hieß es für Luis Manuel Gonzalez, Abschied zu nehmen.

Von Cornelia Kaiser 22.06.2017, 03:00

Brunau/Lohne. Er wird ihn vermissen, den Himmel über der Altmark, an dem die Sterne nachts so schön funkeln. Dort, wo Luis Manuel Gonzales zu Hause ist, ist so etwas selten bis gar nicht zu sehen. Denn der 17-Jährige, der nun knapp ein Jahr lang bei Familie Bühnemann in Lohne gelebt hat, stammt aus der mexikanischen Millionenmetropole Morelia. Und dort herrscht nachts wie in allen Großstädten Lichtsmog.

Überhaupt sei hier in der Altmark und auch in Deutschland an sich alles ein bisschen anders, als er es sich vor seinem Aufenthalt vorgestellt habe, sagt der junge Mann. „Wenn ein Mexikaner an Deutschland denkt, dann denkt er an München und ans Oktoberfest.“ Und er stelle sich Menschen vor, die hart zu sich selbst und zu anderen seien. „Aber Deutsche sind gar keine Roboter. Sie haben ein Herz.“ Und gerade in so einer ländlichen Region wie der Altmark werde großer Wert auf Freundschaft gelegt, wie Luis Manuel Gonzalez nach eigener Aussage erfahren durfte.

Auch er hat einige neue Freunde gefunden, nicht nur in seiner Gastfamilie und an seiner Schule, dem Jahn-Gymnasium Salzwedel, sondern auch beim Sportverein (SV) Brunau, in dem auch seine Gasteltern Ute und Andreas Bühnemann aktiv sind. Knapp ein Jahr lang hat der junge Mexikaner wöchentlich mit der dortigen Volleyballsektion trainiert – und wurde von ihren Mitgliedern schnell ins Herz geschlossen. Dabei hatte er diese Ballsportart zuvor nie gespielt. „In Mexiko kennt man nur Fußball“, sagt der 17-Jährige und lacht.

Aber er stellte sich stets geschickt an und holte sich nicht einmal eine Stauchung an den Fingern. Und so fängt nun Sektionsleiter Eckhard Gröning auch schon an zu drängeln, als der Junge draußen vor der Tür der Brunauer Turnhalle mit der Presse spricht. Er soll reinkommen und mitspielen. „Wir warten auf Dich“, sagt Gröning freundlich, aber mit Nachdruck. Und Luis Manuel folgt der Aufforderung gern.

Der junge Mexikaner hat die Brunauer nicht nur durch seine sportlichen Qualitäten von sich überzeugt, sondern auch durch seine angenehme Art. Und so liegt es auf der Hand, dass ihm beim letzten Training am Dienstagabend ein Abschiedsgeschenk überreicht wird: ein niegelnagelneuer Trainingsanzug der Volleyballsektion des SV Brunau. Eins ihrer langjährigen Mitglieder, nämlich Wilfried Hosse, hält zudem noch ein kleines Blumenpräsent bereit, während es vom Sektionsleiter sehr nette Worte gibt. Doch auch Luis Manuel Gonzalez ist nicht ohne Abschiedsgeschenk gekommen. Er übergibt Eckhard Gröning ein in indianischer Holzschnitzkunst gefertigtes Schlüsselbrett. Das, so sagt der 17-Jährige, sei für seine Heimat etwas sehr Typisches.

Schon jetzt ist klar, dass ihn die Brunauer Sportler vermissen werden. Und für seine Gasteltern wird es ein besonders emotionaler Moment sein, wenn Luis Manuel am 7. Juli in Frankfurt/Main in den Flieger Richtung Heimat steigt. Da sind sich Ute und Andreas Bühnemann ziemlich sicher. Denn natürlich hätten sie den Jungen mittlerweile lieb gewonnen, auch wenn es manch schwierige Phase gegeben habe, wie die Gastmutter erzählt. Das habe natürlich in erster Linie an den anfänglichen Sprachschwierigkeiten gelegen. Doch Luis Manuel lernte schnell. Allerdings machten ihm, der so viel Sonne gewöhnt ist, der kühle Herbst und der Winter zu schaffen, in dem es so früh dunkel wird in Deutschland und schnell mal Langeweile in einem Dorf wie Lohne aufkommen kann. Mittlerweile hat der Junge die Ruhe auf dem Land aber zu schätzen gelernt. „Ich wusste gar nicht, dass es solche Regionen wie diese hier gibt“, sagt der junge Großstädter.

Für ihn sei aber von Anfang an klar gewesen, dass er, wenn er ein Austauschjahr mache, nach Deutschland wolle. Und für Ute und Andreas Bühnemann wiederum war klar, dass es ein Gastkind aus Lateinamerika sein sollte. „Wir waren dankbar und wollten etwas zurückgeben“, betont die Gastmutter. Denn auch ihre Tochter Pia, heute 19 Jahre alt, habe in Mexiko ein Austauschjahr verbringen dürfen – und sei dort sehr herzlich aufgenommen worden. Sowohl sie als auch ihr 23-jähriger Bruder Paul studieren auswärts. Insofern schadete es also nicht, dass bei den Bühnemanns, beide 46 Jahre jung, wieder jemand ins Haus kam. Und die Zeiten, in denen Luis Manuel Gonzalez in die falschen Busse gestiegen ist und von seinen Gasteltern aus verschiedenen Orten der Altmark nach Hause geholt werden musste, die sind auch längst vorbei. Denn inzwischen kennt sich der Junge bestens mit dem öffentlichen Nahverkehr aus.

Und auch mit den Deutschen, die so ganz anders sind, als es sich viele Mexikaner vorstellen. Und die, wie sonst niemand auf der Welt, leckere Bratwurst produzieren können. Diese und den Erdbeerkuchen, den es hier immer zu verschiedenen Gelegenheiten gegeben hat, wird Luis Manuel jedenfalls sehr vermissen. „Ich will noch lernen“, sagt er, „ wie man ihn macht.“ Viel Zeit bleibt ihm dafür aber nicht mehr.