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Acht Monate on Tour Ein Altmärker auf Weltreise

Viele Menschen träumen im Laufe ihres Lebens mal von einer Weltreise. Daniel Müller aus Kahrstedt hat sie gemacht.

Von Cornelia Kaiser 21.04.2017, 03:00

Kahrstedt. Die Welt ist ein Dorf. Irgendwie. Wer wüsste das besser als Daniel Müller, der gerade den halben Erdball erkundet hat? Nicht selten ist es dem Kahrstedter nämlich passiert, dass er dabei Menschen, denen er an anderer Stelle schon begegnet war, wiedergesehen hat oder dass er auf Leute getroffen ist, zu denen sich irgendeine Verbindung herstellen ließ.

So stieß er zum Beispiel am Ngauruhoe in Neuseeland, also dem Vulkan, der in der Filmtrilogie „Herr der Ringe“ als Double des fiktionalen Schicksalsberges (Mount Doom) herhielt, auf zwei Leipziger. Nicht nur, dass auch Daniel Müller seit einiger Zeit in Leipzig lebt, einer der beiden war auch noch ein Schulfreund seiner Ex-Kollegin.

Daniel Müller muss noch immer grinsen, wenn er an diese Episode denkt. Aber sie ist nur eine von ganz vielen, die er im Lauf seiner achtmonatigen Tour erlebt hat. Und manche davon waren verdammt gefährlich.

Die erste derartige Situation, die gab es gleich zu Beginn der Reise. Sie begann für Daniel Müller und seinen Bruder Julian, der ihn die ersten dreieinhalb Wochen begleitete – mehr erlaubte seine Zeit nicht –, in den USA, wo die beiden zuerst an der Ost-, dann an der Westküste unterwegs waren. Dort unternahmen sie auch eine Wandertour durch den Grand Canyon. Innerhalb von neun Stunden stiegen sie bei mehr als 30 Grad Celsius im Schatten in den Hitzekessel hinab – und wieder hinauf. Zwar gab es Schilder, die dringend davor warnten, beides innerhalb eines Tages zu wagen, doch hatten die zwei Kahrstedter sie zu spät gelesen. Obwohl beide körperlich sehr fit sind und auch wanderaffin, „war ich, als wir wieder oben waren, völlig durch. Ich stand kurz vor dem Kollaps“, erinnert sich Daniel Müller, der zwar ausreichend Wasser bei sich hatte, aber nichts zu essen – und somit keine Energiezufuhr.

Es sollte nicht die letzte gefährliche Situation für ihn bleiben. So nahm er, mit einem Magen-Darm-Infekt, den er längst überstanden glaubte, an einer Klettertour auf einen 6088 Meter hohen Berg in Bolivien teil. „Am Ende kroch ich auf allen Vieren ins Lager“, erzählt der 30-Jährige, der sich auch noch mit einem Schaudern an eine Mountainbike-Tour in Kolumbien erinnert. „Das hatte mit Radfahren nichts mehr zu tun. Ich hatte noch nie so viel Angst wie in dieser Situation“, so Daniel Müller angesichts der halsbrecherischen Route. Doch auch motorisiert gelangte er durchaus in Lebensgefahr: als er sich zum Beispiel mit einem Motorroller ins Verkehrschaos auf Bali wagte. „Du musst Dich einfach mittreiben lassen“, denn Verkehrsregeln gebe es dort nicht, erzählt der junge Mann.

Doch wie kommt einer wie er überhaupt darauf, mal eben alles hinter sich zu lassen und die Welt zu erkunden? Zumal am Anfang für ihn gar nicht feststand, wie lange die Reise dauern würde. Ihr Ende war völlig offen.

Die Initialzündung, die gab es während der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien im Jahr 2014. Damals reiste Daniel Müller mit einem Freund in das südamerikanische Land – und war begeistert, auch von der Mentalität der Leute. „Ich wollte unbedingt noch einmal dorthin zurück“, sagt er.

Und 2016 ergab sich dann eine Gelegeheit. Denn Daniel Müller, der lange als Zeitsoldat gedient und in der Zeit auch erfolgreich einen Masterstudiengang als Betriebswirtschaftler absolviert hatte, stand plötzlich vor der Frage, ob er jetzt eine neue berufliche Herausforderung annimmt oder ob er den Traum von der Südamerika-Reise realisiert. Er entschied sich für letztere Option – und packte gleich noch ein paar weitere Kontinente mit auf seine Reiseliste. Das war möglich, weil er sich in den vergangenen Jahren etwas zusammengespart hatte und weil er gerade ungebunden war.

Als er seinen Eltern – Mutter Kirstin leitet in Kalbe eine Kita – von seinen Plänen erzählte, da machten die erst einmal große Augen, untertützten den Sohn aber bei seinem Vorhaben. Nur, als er ihnen einen Notfallumschlag übergab, in dem für den Fall, dass ihm etwas passiert, alles niedergeschrieben stand, da gab es dann doch Tränen. „Aber dank der digitalen Welt kann man ja heute gut Verbindung halten“, sagt Daniel Müller, wohl wissend, dass nichts über persönliche Kontakte geht. Und von denen gab es für ihn bei der Reise reichlich, zumal er sich ja auch über das Online-Portal Couchsurfing, über das gastfreundliche Menschen anderen eine vorübergehende Bleibe bieten, Übernachtungsmöglichkeiten suchte. Die gab es aber auch in Hostels, also günstigen Herbergen, die vorrangig von jungen Menschen, viele davon Rucksacktouristen wie Müller selbst, genutzt werden und wo man immer mitein-ander ins Gespräch kommt.

Apropos Gespräch: Als für den Altmärker klar war, dass er die Welt bereisen und sich längere Zeit in Südamerika aufhalten will, begann er, drei Monate lang intensiv Spanisch zu lernen. Das half ihm dann auch weiter, als er im Amazonas-Dschungel mit einem Einheimischen als Begleiter eine mehrtägige Survivaltour unternahm, für Daniel Müller ein unvergessliches Erlebnis. „Und mein Spanisch wurde jeden Tag besser“, erzählt er. Nur in Brasilien selbst hätte es ihn nicht weitergebracht. Denn dort wird Portugiesisch gesprochen.

In Kolumbien aber – ein Land, das der junge Mann entgegen aller Horrorgeschichten besonders zu schätzen gelernt hat –, in Equador, Peru, Bolivien und Argentien, wo er in der Hauptstadt Buenes Aires Weihnachten verbrachte und erstmals so etwas wie Heimweh verspürte, da konnte er auf sein Spanisch bauen. Dasselbe galt für Chile, wo er in Valparaiso Silvester mit vielen internationalen Gästen und ebenso vielen kulinarischen Köstlichkeiten feierte, bevor ihn die Reise nach einem 16-Stunden-Flug nach Neuseeland führte – und ihm durch die Rückwärts-Zeitverschiebung ein ganzer Tag verloren ging.

Das Land, so erzählt Daniel Müller, habe bekanntlich eine ungemein schöne Natur. Es gehe dort sehr europäisch zu. Und die Menschen seien auch außerordentlich freundlich. „Aber Neuseeland ist überschwemmt von deutschen Abiturienten“, so der Kahrstedter. Dennoch blieb er einen Monat dort, bevor er vier Tage lang das australische Sydney erkundete, um dann 16 Tage lang 500 Kilometer quer durch Bali zu kreuzen.

In Singapur hielt es Daniel Müller anschließend nur zwei Tage aus. „Dort hat es mir nicht gefallen. Alle hängen nur an ihren Smartphones“, berichtet er. Also ging es weiter nach Malaysia – und für mehrere Tage in den dortigen Dschungel.

Die letzte Station war Thailand, wo sich Daniel Müller mit Lisa Wachtel aus Estedt und Tim Reimann aus Schernikau zu einem Treffen verabredet hatte. Gemeinsam wurde „das schöne Reiseland“ erkundet, das aber „leider viele negative touristische Auswüchse zu verkraften“ habe, so der Altmärker.

Vor wenigen Tagen ist er von Phuket nach Köln und von dort nach Leipzig zurückgereist, wo er von seiner Familie abgeholt und in die Altmark gebracht wurde. Dort erwartete ihn eine Überraschungsparty mit rund 40 Freunden und einem tollen Vortrag, den sein Kumpel Daniel Weiß mithilfe jenes Reiseblogs erarbeitet hatte, den Daniel Müller in der ganzen Zeit im Internet geführt hatte.

Rückblickend betrachtet, sagt er, „war die Reise die bisher spannendste Zeit meines Lebens“. Er würde sie erneut antreten, zumal es noch so viele weitere Länder zu entdecken gibt. „Aber ich weiß inzwischen nicht nur das deutsche Schwarzbrot zu schätzen, sondern auch mein eigenes Bett“, sagt er und fügt kleinlaut hinzu: „Und ich weiß wieder, wie gut es uns in Deutschland geht.“